Komisch von Beruf…
...aber traurig im Leben
Sie war ab 1935 erfolgreich, sie wurde vom Publikum geliebt, aber sie war ganz augenscheinlich trotz allem ein sehr einsamer, bedrückter, ja unglücklicher Mensch. Die Volksschauspielerin Liesl Karlstadt (1892–1960), vor allem als Bühnen-Partnerin des eigenwilligen Münchner Komikers und Originals Karl Valentin bekannt geworden, hatte es durch Krankheiten, seelischen Druck und die beruflich prosperierende, menschlich aber unglückliche Partner- und Liebschaft mit dem Querkopf Valentin wahrlich nicht leicht. Zwar waren Liesl Karlstadt und Karl Valentin ein legendäres Paar auf der Bühne, so gefragt wie berühmt. Dem Publikum verborgen blieben bis auf diverse Zeitungsberichte die schweren Jahre von Liesl Karlstadt, in denen sie in einer tiefen Lebenskrise steckte. Nicht ohne Schuld war daran Karl Valentin, dessen Besitzansprüche und Eifersucht ihr zum seelischen Gefängnis wurden.
1892 als Elisabeth Wellano in München in ärmlichen Verhältnissen geboren, konnte die junge Frau ihren Wunsch, Lehrerin zu werden, trotz hervorragender Schulnoten nie verwirklichen. Geldnot zwang sie, eine Lehre als Textilverkäuferin zu machen. Bis auf ihre kleine Schwester Amalie, die am gleichen Tag, nur zehn Jahre später als sie geboren wurde, und einen Bruder überlebte keines ihrer fünf anderen Geschwister die frühen Kinderjahre. Ihrer Schwester blieb Liesl zeitlebens eng verbunden. Als 17jährige schnupperte sie erstmals Brettl-Luft, und mit 19 ertrotzte sie sich eine kleine Karriere als Soubrette und Komödiantin., während sie im Kaufhaus Tietz als Verkäuferin arbeitete. Schon 1915 wurde sie Karl Valentins feste Bühnen-Partnerin, und auch im Leben vereinnahmte sie der verheiratete Vater von zwei Kindern. Die Liaison setzte sich über die Jahre fort, und Liesl Karlstadt wurde zusehends psychisch labil. Künstlerisch und privat ging für Liesl Karlstadt Anfag der 30er Jahre nichts mehr voran, bevor sie am 6. April 1935 versuchte, sich durch einen Sprung in die Isar (mit ihrer Katze im Arm) das Leben zu nehmen. Es gelang ihr nicht, man wies sie in eine Klinik ein, schickte sie zur Erholung, aber wirklich geholfen hat es ihr nicht. Ihre Verzweiflung spiegelt sich in bisher unveröffentlichten Briefen aus dieser Zeit. Karl Valentin konnte sie oft nicht mehr ertragen, aber aufgeben konnte sie ihn auch nicht. Sie versuchte, sich durch ausgedehnte Bergwanderungen in Begleitung von Freunden Freiraum zu schaffen, doch erst nach einem erneuten Zusammenbruch im April 1939 begann sie, sich von Valentin zu lösen. Und sie erholte sich in den Jahren 1941 und 1943 in den Bergen, wo sie sich als Gast und Maskottchen einer Gebirgsjäger-Einheit als Maultier-Führerin betätigte und bewährte. Das Kriegsende mit allen Schrecken der Zeit und den schlimmen Bombennächten erlebte sie in München.
Mit vielen Bildern, Dokumenten und bisher unveröffentlichten Briefen beleuchtet dieses Buch die schwere Zeit im Leben und Wirken von Liesl Karlstadt und ermöglicht so einen persönlichen Blick auf eine ungewöhnliche Frau, die unter schweren Depressionen letztlich aus dem Schatten von Karl Valentin, heraustreten konnte. Valentins Tod im Jahr 1948 gab ihr schließlich die ganze Freiheit, in der sie bis zu ihrem eigenen frühen Tod 1960 eine eigne, wenn auch kleine, so doch neue Karriere, oft an der Seite von Volksschauspieler Michl Lang förderte. Werbeauftritte, Filmrollen und Kabarettauftritte machten ihren Namen auch in der jungen Bundesrepublik wieder groß.
Sabine Rinberger und Andreas Koll rollen in ihrem Buch die Jahre von 1935 bis 1945 mit vielen Fotos und Originaldokumenten auf, skizzieren Karlstadts Vorgeschichte und das Leben nach Karl Valentin, und sie können anhand u.a. eines Briefkonvoluts aus dem Nachlaß ihrer Freundin Norma Lorenzer sehr genau den steinigen Weg nachzeichnen, den Liesl Karlstadt an der Seite Valentins gehen mußte. Das geschieht allerdings mit oft verwirrenden Zeitsprüngen und Doppelungen in der Chronik. Immerhin sieht man erstmals das Psychogramm dieser bis heute zumindest in Bayern populären Künstlerin.
Liesl Karlstadt – „Schwere Jahre“ (Hrsg. von Sabine Rinberger und Andreas Koll)
© 2019 Verlag Antje Kunstmann, 192 Seiten, gebunden, mit zahllosen Fotografien – ISBN: 978-3-95614-325-0
20,- €
Weitere Informationen: www.kunstmann.de
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