Er weiß, was er will

Jörg Seidel – „Die andere Seite“

von Frank Becker

Er weiß, was er will
 
Jörg Seidels Tribut Nr. 2 an Udo Jürgens
 
Schon einmal hat Jörg Seidel einem der ganz Großen des deutschen Chansons Reverenz erwiesen, als er vor genau vier Jahren das Album „Merci“ (My Personal Tribute To Udo Jürgens) veröffentlichte. Eine Überraschung und ein Meilenstein. Nun legt er mit einem Jazzquintett und einer Big Band nach und verneigt sich mit „Die andere Seite“ ein weiteres Mal vor Udo Jürgens (1934-2014).
 
Mit zum Teil weniger bekannten Kompositionen wie dem 1965 von Sarah Vaughan gesungene „Right or wrong“, dem 1967 aufgenommenen „Mein erster Weg...“ oder der englische Fassung des Anfang der 70er Jahre von Ireen Sheer gesungenen „Sonntag“, eben mit der anderen Seite neben Erfolgstiteln wie „Griechischer Wein (Come share the wine)“, „Als die Musik erklang“, „Ein Narr sagt Dankeschön“, „Ein ehrenwertes Haus“ und dem ewigen Hit „17 Jahr, blondes Haar“ präsentiert Seidel 14 Titel in unterschiedlicher Begleitung, hervorragenden Arrangements und neuen Tempi. Jörg Seidel traut sich schon was, sich mit der Ikone Udo Jürgens zu messen, und nicht in jedem Fall gelingt ihm das. So sollte er des harten deutschen Akzents wegen vielleicht doch lieber auf die englischen Texte verzichten. Und „17 Jahr, blondes Haar“ geht trotz eines musikalisch hinreißenden, aber hier gänzlich unpassenden Big Band Arrangements schmerzlich daneben. Ein Sakrileg.
 
Dafür hat Jörg Seidel z.B. „Ein Narr sagt Dankeschön“, Als die Musik erklang“, „Es geht auch ohne dich sehr gut“, „Ich weiß was ich will“ oder „Auf meine Tisch ein weißer Bogen“ äußerst bewegend interpretiert, nicht zuletzt, weil er den Tonfall von Udo Jürgens und dessen Intention berührend trifft. Das überrascht nicht, kennt man das doch schon von „Merci“. Auch seine brillanten Scats (z.B. in „Ich weiß was ich will“) zeigen den Meister. Hier paßt auch die fetzige Begleitung mit scharfen Blechbläser-Sätzen. Alles in allem ein schönes Album, dem man die kleinen Ausreißer und die eingeschmuggelte „Aftershow“ (Seidel/Seidel) als Tribut gerne verzeiht. Auch Udo Jürgens, da bin ich sicher, hätten die jazzigen Arrangements und die bestechenden Soli des Quintetts gefallen.
 
Jörg Seidel – „Die andere Seite“
© 2019 Swingland Records
Jörg Seidel (voc, g, arr.) - Dirk Piezunka (sax) - Joe Dinkelbach (p), Gerold Donker (b) - Christian Schönefeldt (dr) + Big Band (Arr. Joachim Refardt) mit u.a. Matthias Schinkopf (ts) – Erik Konertz (tb) – Volker Bruder (ts)
Titel:
11 Right Or Wrong – 2. Als die Musik erklang – 3. Ich weiß was ich will – 4. Ein Narr sagt Dankeschön – 5. Mein erster Weg – 6. Ein ehrenwertes Haus – 7. Mein Bruder ist ein Maler – 8. Sunday – 9. Aftershow – 10. Ladies and Gentlemen – 11. Auf meinem Tisch ein weißer Bogen – 12. Come Share the Wine – 13. Es geht auch ohne dich sehr gut – 14. 17 Jahr, blondes Haar
Gesamtzeit: 1:11:32
 
Weitere Informationen: www.joergseidel.de