Ein Film zum Mitdenken. In erster Linie das.

„Official Secrets“ von Gavin Hood

von Renate Wagner

Official Secrets
(GB 2019)

Regie: Gavin Hood
Mit: Keira Knightley, Ralph Fiennes, Matthew Goode, Matt Smith,
Rhys Ifans, Adam Bakri u.a.

Manche Whistleblower werden berühmt, von den Medien zu Helden hoch stilisiert, von den Ländern, die sie – nach deren Verständnis – verraten haben, gnadenlos verfolgt. Und es gibt andere, von denen man kaum etwas erfährt und die dennoch überaus mutige Aktionen der Zivilcourage gesetzt haben. Eines ist allen gemeinsam: Sie zahlen einen hohen Preis.
So wie Katherine Gun, deren Schicksal hier erzählt wird. Doch die – historisch überprüfbare – Wendung am Ende ist überaus bemerkenswert: Nachdem man ihr die längste Zeit die Hölle heiß gemacht hatte, beendete die Staatsanwaltschaft den Prozeß, bevor dieser noch richtig begonnen hatte, weil man Schwierigkeiten sah, ein Verbrechen nachzuweisen.
Katherine Gunn hat als Übersetzerin für den britischen Geheimdienst gearbeitet und tiefere Einblicke über die „unterirdische“ Polit-Arbeit gewonnen als der Durchschnittsbürger. (Zu ihrem Berufseid gehörte natürlich auch, mit niemandem darüber zu sprechen, was sie erfuhr.) 2003 waren die USA und auch die Briten fest entschlossen, im Irak einzumarschieren, wofür man die Behauptung von den angeblichen Atomwaffen von Saddam Hussein erfand. Mehr noch – die NSA (der Auslandsgeheimdienst der USA) war entschlossen, Mitlieder im UNO-Sicherheitsrat um ihre Zustimmung zu den Krieg zu erpressen.
 
Es wäre ein Krimi, wie diese Katherine Gunn (eine Meisterleistung der sich optisch hier so unspektakulär gebenden Keira Knightley, die keine Heldin, sondern ein Schicksal spielt) die Dokumente kopiert und aus der Behörde schafft, was zwar schwierig, aber nicht unmöglich war. Und wie sie entschlossen ist, das Unrecht öffentlich zu machen und den Krieg zu verhindern. Wofür sie Mitstreiter braucht, die diese scheinbar ungeheuerlichen Behauptungen verbreiteten. Wie die Presse (in diesem Fall der „Observer“) ihrerseits unendliche Zivilcourage benötigte, dies zu veröffentlichen (Matt Smith). Wie Katherine bei den Untersuchungen gegen alle Angestellten wohl hätte durchkommen können, weil es keine Beweise gegen sie gab, sie aber freiwillig gestand, um ihre Freunde und Mitarbeiter im Büro aus der schrecklich-drückenden Verdachtssituation zu befreien. Wie die Behörden nicht nur sie, sondern auch ihren türkischen Immigranten-Gatten (Adam Bakri) verfolgten (wie sie ihn in letzter Minute von der Abschiebung bewahren kann, kommt nicht ganz logisch herüber), wie Menschenrechts-Institutionen (mit Ralph Fiennes an der Spitze) sich für sie einsetzen, und wie schließlich alles für sie „happy endete“ – ein Krimi? Eigentlich nicht, dazu wird die Geschichte zu wenig reißerisch, zu nüchtern erzählt.
 
Im Grunde ist dieser Film von Regisseur Gavin Hood durch und durch politisch, handelt von der damaligen Situation, von den unglaublichen Risiken dieser Art von „Hochverrats“, von den Kämpfen in der Zeitungsredaktion, von den wie immer rücksichtslosen Medien und den Gerichten, die ja wohl wußten, daß Katherine Gunn schweres politisches Fehlverhalten aufgedeckt hatte… ein Film zum Mitdenken. In erster Linie das.
Spannend vor allem wegen der grundlegenden Frage: Wie viel Zivilcourage kann man von Menschen verlangen? Von den meisten gar keine, die Unrecht sehen, Achsel zucken oder wegschauen. Darum verdienen diejenigen, die sich aus reinen Motiven zum Handeln entschließen, die Bewunderung, die Katherine Gunn mit diesem Film zuteil wird.
 
Vorschau    
 
Renate Wagner