ISDN

von Erwin Grosche

Foto © Harald Morsch
ISDN
(Aus dem „Westfalenlob“)
 
Ich habe jetzt ISDN. Früher hatte ich Analog - das wußte ich gar nicht. Der Unterschied zwischen ISDN und Analog: Analog ging. Aber bei meinem ISDN habe ich die Möglichkeit, unter acht Klingeltönen zu wählen, die mir alle nicht gefallen. Das nennt man Freiheit. Und bei meinem ISDN, da habe ich ein Display. Da kann ich sehen, wer mich angerufen hat, auch wenn wir uns nicht kennen. Manchmal ist da einer, der mich anruft und den kenne ich gar nicht, dann denke ich immer, der traut sich was. Ruft der mich an und wir kennen uns gar nicht. Gerade heute, wo ich so schlecht gelaunt bin. Einmal, als ich noch gar nicht wußte, was ein ISDN ist, geschweige denn ein Display, entdeckte ich da die Nummer von jemandem, den ich nicht kannte. Ich nahm also den Hörer ab und dann rief mein ISDN den von sich aus an. Das war eine Überraschung - also für beide. Sie sagte: „Ich bin es doch Lydia, ich liege im Brüderkrankenhaus. Ich bin krank.“ Da dachte ich nur, welch geniale Idee. Jetzt rufen die Kranken die Gesunden an.“

 

ISDN-Gedicht
(Alle Sätze richten sich nach der Buchstabenfolge ISDN) I
 
Ich sah dich nackt/ Im Sommer des Nachts/ In Straßen die niemandem/ imponierten, so dichtete Novalis (Doppel ISDN, total selten) Ich stöhnte, du nörgeltest/ Ich schlaf da nur/ Ich schlaf da nur/ Ich schnarch da nur/ ISDN//Ich sah dich nackt/ Im Sommer des Nachts./ Ist Sabine dein Name?/ Irgendwie stört deine Nase/ Ich sag „Danke, nein“/ Immer solche dummen Nichtigkeiten/ Ich such dich nicht/ Ich such dich nicht/ ISDN/ ISDN.//
 
 
 
© Erwin Grosche