Auf die Tränendrüse gedrückt

„Weihnachten in Grantchster“ (Christmas Special) von Edward Bennett

von Frank Becker

Auf die Tränendrüse gedrückt
 
Weihnachten in Grantchester
 
Grantchester, 1954: Das Fest der Liebe steht vor der Tür. Für den Priester Sidney Chambers (James Norton) kommt die arbeitintensive Zeit mit all ihren Verpflichtungen und Vorbereitungen sehr gelegen, da er so weniger Zeit hat, über seine Verflossene Amanda Hopkins (Morven Christie) nachzudenken. Amanda, mittlerweile hochschwanger und getrennt lebend von ihrem Ehemann, hat in der Nähe bei ihrer Tante CeCe Unterschlupf gefunden. Sidney liebt Amanda noch immer, aber eine Beziehung der beiden verstöße gegen jegliche gesellschaftlichen Konventionen. Und mal ehrlich, liebe Zuschauer, Amanda, die Sidney in den vergangenen Folgen stets ihren Vorteil gesucht, das Spiel mit Sidney auf die Spitze getrieben und ihm stets neues Glück verdorben hat, ist uns nicht besonders sympathisch. Nun schmachtet sie ihn wieder an, denn er könnte ihr helfen.

Doch nicht nur Sidney hat vor dem Weihnachtsfest alle Hände voll zu tun: So befindet sich Mrs. Maguire (wunderbar: Tessa Peake-Jones) in der heißen Endphase der stressigen Plätzchenbackerei und mit seiner Idee, das jährliche Krippenspiel doch einmal als Brecht’sches Bühnenstück zu interpretieren, steuert Jungvikar Leonard vorhersehbar auf eine mittlere Katastrophe zu. Das ist lustig. Nebenbei bemühen sich DI Geordie Keating (Robson Green) und seine Frau, dem wißbegierigen Töchterchen zu erklären, was es mit dem ominösen Begriff „Schoß“ (man bedenke die verklemmte Zeit Anfang der 50er) im Zusammenhang mit Jesus´ Geburt auf sich hat.Und das ist wirklich sehr komisch.

Mitten in der beschaulichen und dramatischen Vorweihnachtszeit geschieht ein Verbrechen: Nachdem der wohlhabende Bräutigam von Linda Morgan, einer Stripperin, nicht zur Trauung erscheint, finden Pfarrer und Inspector ihn in seinem Büro ermordet auf, die Eheringe in seinem Mund. Geordie erinnert sich an einen unaufgeklärten Mord von vor neun Jahren mit vielen Parallelen  zum aktuellen Fall. Geordie und Sidney jagen den Mörder, um den zwei Frauen, die ihrer verlorenen Liebe nachtrauern, Gerechtigkeit zu bringen. Verdächtige gibt es einige, aber die Sache wird schnell recht durchsichtig.

Daß Amanda, vom Vater verstoßen, heimatlos geworden ihr Kind im Pfarrhaus zur Welt bringt (diesmal wird nicht nach heißem Wasser, viel heißem Wasser geschrien, aber nach pfirsichfarbenen Handtüchern), daß eine dramatisch zerstrittene kleine Familie unter dem Weihnachtsbaum wieder zusammenfindet und daß sich am Ende alle im Pfarrhaus zum fröhlichen Weihnachtsbesäufnis treffen, ist so unerträglich kitschige Soap, daß die TV-Weihnachts-Dauerbrenner „Ist das Leben nicht schön“, Der kleine Lord“ und „Eine Weihnachtsgeschichte“ dagegen fast blaß ausfallen. Nein, das hat Regisseur Edward Bennett trotz Mord einfach zu rührselig inszeniert und insgesamt zu dick aufgetragen, um es noch als Krimi durchgehen lassen zu können.
 
„Weihnachten in Grantchster“ (Christmas Special)
Britischer Kriminalfilm nach den Grantchester Mysteries von James Runcie
Mit Robson Green, James Norton, Al Weaver, Tessa Peake-Jones, Morven Christie u.v.a.m.
© 2016 Kudos / 2019  Edel Germany GmbH - 1 DVD 65 Minuten
Weitere Informationen:  www.edel.com