„Peer Gynt“

Die Ballett-Kompanie der Tatarischen Staatsoper Kasan zeigt klassischen Tanz in Vollendung

von Daniel Diekhans

© Ballett Kasan

„Peer Gynt“
 
Die Ballett-Kompanie der Tatarischen Staatsoper Kasan
zeigt klassischen Tanz in Vollendung
 
Choreographie: Georgy Kowtun - Bühnenbild: Vladimir Grachev - Licht: Sofia Gracheva - Kostüme: Elena Mikhailova - Maske: Natalia Sentsova
 
Solisten: Mikhail Timaev (Peer Gynt) - Nina Semina (Aase, seine Mutter) - Thais Da Silva Diogenes (Solveig) - Maxim Potseluiko (Bräutigam Mads Moen) - Rosalia Shavaleeva (Ingrid) - Anton Polodyuk (Bergkönig) - Kristina Andreeva (Tochter des Bergkönigs)
Ensemble: Die Ballett-Kompanie der Tatarischen Staatsoper Kasan
Orchester: Bergische Symphoniker, Leitung: Nurzhan Baibussinov
 


© Ballett Kasan

Henrik Ibsens Drama Peer Gynt ist eine Heldengeschichte, die erst nach vielen Wirrungen ihren glücklichen Ausgang findet. Als junger Mann verläßt Peer das Haus seiner Mutter und Solveig, das Mädchen, das ihn liebt. Er flüchtet in Traumwelten und größenwahnsinnige Abenteuer, verstrickt sich in Lügen und Leidenschaften und flieht dabei vor dem wirklichen Leben und sich selbst. Seine vielen Abenteuer, die ihn ins Reich der Trolle, aufs Meer und in die Wüste führen,
werden zu einer Reise zu sich selbst.
„Peer Gynt“ ist ein Glücksfall fürs Ballett. Ibsens Drama um den jungen Glückssucher bietet Abenteuer und Liebe, lebensechte und märchenhafte Schauplätze. Fast noch bekannter ist die Musik, die Edvard Grieg zur Begleitung des Theaterstücks komponierte. Aus beiden Quellen schöpft der „Peer Gynt“, den Choreograf Georgy Kowtun mit der Ballett-Kompanie der Tatarischen Staatsoper Kasan auf die Bühne bringt. Für Kowtun ist der Stoff die passende Vorlage, um ein 30-köpfiges Ensemble und hervorragende Solisten groß herauszubringen.
Im Schwelgerischen der phantastisch-prächtigen Kostüme und Bühnenbilder scheint die Tradition des berühmten klassischen russischen Balletts immer durch. Diese Vorzüge machen die Kompanie aus der Millionenstadt Kasan zu den führenden in Rußland – gleich hinter den Tänzern der Opernhäuser von Moskau und St. Petersburg. Wenig erstaunlich also, daß beim Gastspiel in Remscheid das Teo Otto Theater restlos ausverkauft war.
 

© Ballett Kasan

Allen voran Solist Mikhail Timaev erfüllte die hohen Erwartungen. Seine ungestümen Sprünge und Drehfiguren geben dem Lebenshunger Peer Gynts Ausdruck. Wenn er mit Requisiten hantiert, gar jongliert, sind seine Bewegungen nicht weniger fließend. Eine ansprechende Mischung aus Athletik und Eleganz zeigt auch Thais Da Silva Diogenes, die Peers Jugendliebe Solveig verkörpert. Es knistert beim leidenschaftlichen Pas de deux, wenn Timaev die Partnerin in den Armen hält wiegt und elegant kraftvoll großartige Hebungen zeigt. Doch so intensiv ihre Begegnungen sind, so kurz sind sie auch.
Denn mit ihrer Liebe kann Solveig den Rastlosen nicht an sich binden. Peer will hinaus in die Welt und sein Glück machen. Sein Darsteller Timaev findet sich vor felsgrauen Kulissen wieder, die die gesamte Bühne einnehmen. In der so präsentierten Unterwelt herrscht der Bergkönig. Mit schwarzen Gesichtsmasken und Flügeln auf dem Rücken wirken er und sein Gefolge wie menschengroße Fledermaus-Mutanten. Archaisch sind ihre Tänze. Die Höhlenbewohner stampfen wuchtig mit den Füßen und bilden eine lange Schlange, die ihre Kreise über die Bühne zieht. Je lauter die Musik wird, desto wilder gebärdet sich die entfesselte Masse in der Halle des Bergkönigs. Timaev/Peer geht förmlich darin unter – bis erlösende Fanfarenklänge dem bösen Spuk ein Ende machen. Gelöst reagieren auch die Zuschauer, die Solist und Ensemble mit Bravi belohnen.
 
Großen Applaus hatten auch die Bergischen Symphoniker verdient. Unter Leitung des Gast-Dirigenten Nurzhan Baibussinov brachten sie Griegs Bühnenmusik in feinen Nuancen zur Geltung und trugen so dazu bei, daß der Augenschmaus von der Musik getragen wurde. Von herber Schönheit erklang „Solveigs Lied“, das als durchgehendes Motiv die bunte Handlung strukturierte. Auch die als „Klassik-Hit“ bekannte zarte „Morgenstimmung“ glitt nicht ins Süßliche ab.
 

© Ballett Kasan

Nach dem Abenteuer im Reich des Bergkönigs hat Peer noch lange nicht genug. In die Tiefen des Ozeans steigt er hinab, um den Meereskönig zu besuchen. Daß er sich in die Königstochter verliebt, bringt ihm kein Glück. Dem Ensemble der Meereswesen kann er sich nur mit knapper Not entziehen – hinauf in himmlische Sphären. „Anitras Tanz“ ist da ein weiteres musikalisches Glanzlicht. Es ist jedoch wiederum Solveigs Melodie, die für einen letzten großartigen Pas de deux von Timaev und Da Silva Diogenes sorgt. Das Publikum feierte die Leistung der Ballett-Kompanie mit dem sprichwörtlichen nicht enden wollenden Beifall.
 
Daniel Diekhans

Redaktion: Frank Becker