Neu ausgelotet und ergreifend interpretiert

Claire Huangci – „Sergej Rachmaninov – Preludes“

von Sabine Kaufmann

Die Tiefe der Rachmaninoff´schen Preludes
neu ausgelotet und ergreifend interpretiert

Die Aufnahmen aller Chopin-Nocturnes durch die amerikanische Pianistin Claire Huangci, die ich Ihnen hier vor zweieinhalb Jahren vorstellen durfte, haben nicht nur mich gänzlich überzeugt und ihr nicht zuletzt durch diese meisterliche Interpretation die Türen der Musikwelt weit geöffnet.

Nun hat sie sich eines weiteren „Klaviergiganten am anderen Ende der Romantik“ angenommen: Sergei Rachmaninoff (1873-1943) mit seinen 24 Préludes. „Sie habe sich in den letzten Jahren vermehrt zu gesamten Werkzyklen hingezogen gefühlt, so Claire Huangci, »um die längeren Bögen im Leben eines Komponisten besser zu verstehen«“ schreibt Berlin Classics dazu. Die Entstehungszeit der 24 Préludes von Rachmaninoff aus insgesamt drei Opus erstreckt sich über immerhin 18 Jahre, markiert also wegbegleitend eine große Phase der ersten Hälfte seines Schaffens.
1892, Rachmaninoff war gerade mal 19 Jahre alt,  entstand als erste Prelude das berühmte düstere  „Phantasiestück“ in cis-moll op. 3 Nr. 2, mit dem Claire Huangci auch folgerichtig ihr Rachmaninoff-Album beginnt. Aus enormer Tiefe aufsteigend, unendlich schwer und zögerlich, zugleich köstlich hebt sich das unerhört bewegende Stück zu gewaltiger Höhe, versinkt elegisch und läßt den Hörer tief ergriffen zurück. »Wenn wir die Psychologie des Préludes erkennen sollen, lassen Sie es so verstehen, daß es seine Funktion nicht ist, eine Stimmung auszudrücken, sondern sie herbeizuführen« wird Rachmaninoff hier zitiert.

Elf Jahre später, 1903, nach dem 2. Klavierkonzert und zwischen seiner 1. und seiner 2. Sinfonie entstanden die 10 Préludes op. 23 und zeigten sich in einer weitaus lichteren Stimmung, ja gelöster, heiterer. Weitere sieben Jahre später, 1910, nach dem 3. Klavierkonzert, präsentierte er die 13 Préludes op. 32, mit einem Allegro vivace geradezu funkelnd beginnend. Als habe er mit Blick auf 1892 einen Rahmen schließen wollen, endet op. 32 mit Nr. 13, dem Präludium Des-Dur (Grave - Allegro - Grave) gemessen, besonnen, doch zum Ende noch einmal triumphal aufjubelnd.
 
Claire Huangcis Interpretation dieses bemerkenswerten Zyklus übertrifft in frischer, überaus sensibler Auffassung vieles bis dahin vergleichbar Gehörte. Mit Herz und Verstand lotet sie die Tiefe der Stücke bis in den kleinsten Winkel aus. Filigran in ihrer Fingertechnik, dynamisch in ihrer Umsetzung und berückend in ihrem in bestimmten Passagen fast nicht spürbaren Anschlag öffnet sie die Ohren für diese 24 kleinen Stücke auf ihre Weise völlig neu. Wie schon bei Claire Huangcis „A Chopin Diary“ angemerkt ist es unter ihren Händen vollständige Kontemplation, Musik zum „Runterkommen“. Eine Empfehlung der Musenblätter und mit unserem Prädikat, dem Musenkuß belohnt.
 
Claire Huangci – „Sergej Rachmaninov – Preludes“
Claire Huangci (Klavier)
© 2018 Edel Germany / Berlin Classics
 
1. Morceaux de fantaisie op. 3 Nr. 1-5 (Fantasiestücke) (Auszug), Nr. 2 Präludium cis-moll
2. 10 Préludes op. 23 Nr. 1-10
Nr. 1 Präludium fis-moll (Largo)
Nr. 2 Präludium B-Dur (Maestoso)
Nr. 3 Präludium d-moll (Tempo di minuetto)
Nr. 4 Präludium D-Dur (Andante cantabile)
Nr. 5 Präludium g-moll (Alla marcia)
Nr. 6 Präludium Es-Dur (Andante)
Nr. 7 Präludium c-moll (Allegro)
Nr. 8 Präludium As-Dur (Allegro vivace)
Nr. 9 Präludium es-moll (Presto)
10 Präludium Ges-Dur (Largo)
3. 13 Préludes op. 32 Nr. 1-13
Nr. 1 Präludium C-Dur (Allegro vivace)
Nr. 2 Präludium b-moll (Allegretto)
Nr. 3 Präludium E-Dur (Allegro vivace)
Nr. 4 Präludium e-moll (Allegro con brio)
Nr. 5 Präludium G-Dur (Moderato)
Nr. 6 Präludium f-moll (Allegro appassionato)
Nr. 7 Präludium F-Dur (Moderato)
Nr. 8 Präludium a-moll (Vivo)
Nr. 9 Präludium A-Dur (Allegro moderato)
Nr. 10 Präludium h-moll (Lento)
Nr. 11 Präludium H-Dur (Lento)
Nr. 12 Präludium gis-moll (Allegro)
Nr. 13 Präludium Des-Dur (Grave - Allegro - Grave)
 
Gesamtzeit: 1:17:17
Weitere Informationen: www.berlin-classics-music.com