Eine Luxus-Flucht vor der Französischen Revolution

Pierre-Hippolyte-Leopold Paillot – „Monsieur Paillot im Nirgendwo“

von Frank Becker


Monsieur Paillot im Nirgendwo
 
Eine Luxus-Flucht vor der Französischen Revolution
 
1794. Monsieur Pierre-Hippolyte-Léopold Paillot, wohlhabender Gerbermeister und Magistratsherr von Condé in Nordfrankreich, möchte weder seinen Kopf noch sein Vermögen verlieren wie 1789 Ludwig XVI. und dessen Frau Marie Antoinette. Zwar sind Paris und die Revolution ziemlich weit weg, aber es ist 1794, und die Schreckensherrschaft der Commune unter Maximilien de Robespierre rückt Schritt für Schritt bedrohlich näher. So macht er sich denn mit Hab und Gut, Familie und Verwandtschaft sowie mit umfangreicher Dienerschaft und gut gefüllter Börse auf den Weg ins sichere Rheinland und nach Westfalen – eine Flucht unter etwas anderen Voraussetzungen.
Paillot und andere wohlhabende Bürger, Adlige und Kleriker sind nämlich Flüchtlinge, die nur für begrenzte Zeit Zuflucht im benachbarten Ausland suchen wollen, nicht im geringsten mit der Absicht, a. zu bleiben oder b. sich dem gastgebenden Land auch nur annähernd anzupassen. Mehr noch, sie verachten ihre „primitiven“ Nachbarn im Rheinland und Westfalen, dem Herzogtum Berg, im Vest Recklinghausen und im angrenzenden Königreich Preußen. Mit ihrem Geld, ihrer Lebensart und ihrer Sprache fühlen sie sich überlegen und bleiben unter sich. Sie müssen aber auch hinnehmen, daß sie beileibe nicht überall willkommen sind und sich oft das Wohlwollen der Bevölkerung und Verwaltung bar erkaufen müssen.

Werner Bergmann und Werner Boschmann (er entdeckte eine Buchausgabe von 1909, herausgegeben vom Urenkel René Paillot in der Königlichen Bibliothek zu Brüssel) haben die Aufzeichnungen des Monsieur Paillot dem Vergessen entrissen, der auf seiner 16monatigen Reise in Düsseldorf und Hagen, in  Dortmund, Dorsten und in Mülheim gewohnt hatte, in Bochum, Duisburg, Bottrop und Iserlohn aufschlug sowie vielen anderen Orten Besuche abstattete – bevor er nach Robbespierres Tod zurück nach Condé konnte.
Paillot nannte es eine Reise ins Nirgendwo, beschrieb Pumpernickel und Wacholderschnaps, Kaffee und Branntwein, Westfälischen Schinken und Gehöfte, die Unterkünfte, Orte und Märkte, Handwerk und Menschen, und bürgerliche und deftige Dorffeste nötigen ihm sogar ein ganz klein wenig Bewunderung ab.
Von Luc de Gall ins Deutsche übertragen, von Werner Bergmann und Werner Boschmann geordnet und kommentiert sowie mit Anmerkungen, zeitgenössischen Illustrationen und einem Münzvergleich versehen, ist „Monsieur Paillot im Nirgendwo“ ein ungewöhnlicher, rarer und unerhört interessanter Ausflug in die Geschichte des heutigen Nordrhein-Westfalen.

„Die Personen, von denen hier die Rede ist, waren keine Akteure, sie waren lediglich Opfer. Ihre vertraulichen Mitteilungen sind wahrscheinlich nicht von sehr bedeutungsvollem Rang für die Erkenntnisse der Weltgeschichte ganz allgemein; aber da sie mit Gewissheit ehrlich sind, sind sie wertvoll. Hals über Kopf verließ man damals sein Vaterland, wie ein Blatt vom Sturm verweht; aber nur wenige dachten daran, einem Tagebuch ihre intimen Eindrücke anzuvertrauen!“ (René Paillot, Urenkel)
 
 
Pierre-Hippolyte-Leopold Paillot – „Monsieur Paillot im Nirgendwo“
Land und Leute aus der Sicht eines Revolutionsflüchtlings am Vorabend des Reviers
Herausgeber: Werner Bergmann, Werner Boschmann - Übersetzung: Luc le Gall
© 2019 Henselowsky Boschmann.  96 Seiten Gebunden 244 x 186 mm mit 60 Illustrationen – ISBN: 978-3-942094-34-4
14,90 € 
 
Weitere Informationen: www.vonneruhr.de