Weihnachten 1838

Zwei Briefe

von Clara Wieck und Robert Schumann

Clara Wieck 1838, Andreas Staub pinx.
Clara Wieck an Robert Schumann
 
(Leipzig), den 16. Dezember 1838.
 
Das sind vielleicht die letzten Zeilen, die Du in diesem Jahre von mir erhältst. Jetzt sind wir nun bald unserem Ziele wieder um ein Jahr näher gekommen, und übers Jahr, so der Himmel es will, feiere ich dies Fest zum letzten Male ohne Dich, mein guter Robert.
Wie gern machte ich Dir eine kleine Freude, wär' es nur nicht gar so weit! Am Ende hast Du auf der Maut Unannehmlichkeiten, wenn ich Dir etwas sende? Und was könnte Dir wohl Freude machen? Wie ich an Dich denke, das weißt Du, und mir kömmt alles so prosaisch vor, als paßte nichts für Dich. Ja, könnt' ich selbst kommen und zu Dir sagen: Hier bin ich! Das tät' ich doch gar zu gern!...
Hast Du den Kalender von 39 gesehen? Aurora hat sich zwischen uns gestellt, uns zu vereinigen - das scheint mir nicht ohne Vorbedeutung! Wer weiß, wie es heut übers Jahr steht? Noch einen Gruß muß ich Dir heute senden. Eine ganze Kleinigkeit folgt mit - es ist nicht der tausendste Teil von dem, was ich Dir geben möchte.

(Auf einem beiliegenden zierlichen Bogen):
Innigsten Kuß - den innigsten, den ich Dir noch je gegeben! Feiere das Fest recht glücklich - uns leuchtet ja beiden ein schöner Hoffnungsstern, schöner als alle Christbäume der Welt! Der verlöscht nicht. Nur laß uns einander fest und treu lieben! Mein Herz spricht noch so Vieles, Unnennbares!
Ich liebe Dich ja - das weißt Du und somit alles! Unwandelbar bis in den Tod! - Nein - ewig!
 




Robert Schumann an Clara Wieck
 
Wien, den 18. Dezember 1838.
 

Robert Schumann 1839,  Josef Kriehuber pinx.
Gott grüß Dich, mein herziges Mädchen!
Du hast Frühling um mich gemacht, und goldne Blumen gucken mit den Spitzen hervor, mit anderen Worten: Ich komponiere seit Deinen Briefen, ich kann mich gar nicht lassen vor Musik.
Hier hast Du mein kleines Angebinde zum heiligen Christ.* Du wirst meinen Wunsch verstehen.
Weißt Du noch, als Du mir vor drei Jahren am Weihnachtsabend um den Hals fielst? Manchmal war es, als erschräkest Du vor Dir selbst, wenn Du Dich mir so hingabst.
Aber jetzt ist es anders, und Du ruhst still und sicher an meinem Herzen und weißt, was Du besitzt. Du meine Liebe, meine traute Gefährtin, mein holdes zukünftiges Weib!
Wenn ich nun in zwei Jahren die Türe aufmache und Dir alles zeigen werde, was ich Dir geschenkt - eine Haube, vieles Spielzeug, neue Kompositionen -, dann wirst Du mir noch ganz anders um den Hals fallen und ein Mal über das andere ausrufen: „Wie hübsch, wer einen Mann und vorzüglich wie Dich einen hat!“ Und ich werde dann Deiner Freude gar keinen Einhalt tun können, und Du wirst mich dann in Dein Zimmer führen, wo Du aufgeputzt und beschert: Dein Bild in Miniatur, eine Schreibtafel zum Komponieren, einen zuckernen Pantoffel, den ich gleich esse, und Vielerlei; denn Du beschenkst mich viel mehr als ich Dich, und ich kenne Dich darauf. Das Glück! Dann werden wir immer stiller, der Christbaum brennt immer schwächer, und Küsse sind unser Gebet, daß es immer so bleiben möchte, daß uns der gute Gott zusammen erhalte bis an das Ende.
In diesem Jahr wird es noch freilich traurig um mich sein. Ich werde mir manche Melodie summen, ich werde manchmal an das Fenster gehen und hinauf zu den Sternen sehen, wie sie funkeln, ich werde den ganzen Abend bei Dir sein…
 
*Das Klavierstück „Wunsch“ lag bei, Clara gewidmet: „An meine geliebte Braut zum heiligen Abend 1838“. Das Stück ist Nr. 1 der „Bunten Blätter“, op. 99 geworden.