Was war das? - Die filmische Katastrophe des Jahres.

„Cats“ Von Tom Hooper

von Renate Wagner

Cats
USA/GB 2019

Regie: Tom Hooper

Mit: Francesca Hayward, Judi Dench, Ian McKellen, Jennifer Hudson, Rebel Wilson, Idris Elba u.a.
 
Wenn alle, wirklich alle übereinstimmen, es mit der filmischen Katastrophe des Jahres zu tun zu haben (keine Gegenstimme, kein gutes Wort) – ja, dann können die Produzenten nur hoffen, daß wenigstens einige Leute ins Kino gehen, weil sie es nicht glauben können: „Das kann doch nicht wahr sein.“
Aber es ist wahr: Die „Cats“ des Andrew Lloyd Webber wurden auf der Kinoleinwand gekillt, durch Unverstand, künstlerische (?) Gefühllosigkeit, durch digitale Machenschaften. Am Ende geht man schaudernd-kopfschüttelnd davon und fragt sich: Was war das? Man weiß, wovon man redet, von dem Erfolgsmusical schlechthin.
 
Das war damals, 1981, gar nicht so selbstverständlich, schließlich hatte Andrew Lloyd Webber hochwertige Lyrik von T. S. Eliot („Old Possums Katzenbuch“) vertont, das ist ja nicht unbedingt Musical-Futter. Und eigentlich ist es „nur“ eine Nummernrevue – aber die einzelnen Persönlichkeiten kamen so plastisch  heraus, die Musik war hochwertig, Gesang und Tanz entwickelte eine solche Kraft, und schließlich war der optische Effekt der singenden, swingenden, turnenden Katzenviecher (der Tänzer/Schauspieler/Sängern in witzigen Fellkostümen alles abverlangte) einfach unwiderstehlich. Eine wilde Show. Eine schöne Sache. Ein Welterfolg. Im Theater an der Wien füllte der damalige Direktor Peter Weck (nicht zuletzt mit Hilfe von Reisebürobussen, aber doch) ab 1983 das Haus neun Jahre lang.
Nun könnte man es leicht und billig zum Preis einer Kinokarte haben, aber wem es um „Cats“ geht, der sollte es bleiben lassen. Denn nichts an dem, was man in knapp zwei Stunden auf der Leinwand sieht, lohnt sich hinzublicken. Das sollten „Katzen“ sein, diese wie geschminkte Leichen aussehenden, glatten, computerisierten Gesichter, für die nur zwei spitze Ohren ihr Katzenwesen signalisieren? Die Körper sind auch nicht in „Fell“, sondern irgendwelchen albernen Bodies, was sie völlig von ihrer behaupteten Katzenhaftigkeit entfernt. Die Darsteller haben solcherart gar keine Chancen, und keinem gelingt es auch nur, halbwegs gut zu sein. Weder Regisseur Tom Hooper (der psychologisch sensible Filme bisher recht gut hinbekommen hat) noch Choreograf Andy Blankenbuehler schaffen es, „Cats“ in seiner Essenz zu erzählen. Daß (scheinbar) Schauplätze in ganz London einbezogen werden können, man ist schließlich im Kino, macht die öde Choreographie nicht lebendiger.
 
Und die Darsteller? Hätte man je gedacht, man könnte schreiben (die Finger sträuben sich), daß Judi Dench, sicher einer der großartigsten Schauspielerinnen, die es gibt, sich als Alt-Deuteronimus schlechtweg lächerlich macht mit triefender Milde (eine ihrer gänzlich unwürdige Darbietung)? Daß Ian McKellen als Gus, The Theatre Cat, wohl nur seines Namens wegen engagiert wurde und irgendwie ratlos herumsteht? Daß man den „Memory“-Song nicht unerträglich triefender singen kann als Jennifer Hudson, die einem mit ihrer penetranten Leidensmiene total auf die Nerven geht? Daß die Katze Victoria, die hier sehr ins Zentrum gerückt ist, zwar entzückend aussieht ( die Primaballerina Francesca Hayward, Solotänzerin des Londoner Royal Ballet, versucht sich in ihrer ersten Kinorolle nicht nur in klassischem Ballett, sondern sogar ein wenig im Singen), aber so zuckersüß dreinschaut, daß man es auch nicht lange aushält?
Daß der Karachoauftritt von Rebel Wilson als fette Katze Jennyanydots schlechtweg peinlich ist? Daß Mr. Mistoffelees (Laurie Davidson) nicht magisch, Rum-Tum-Tugger (Jason Derulo) nicht interessant, der verfressene Bustopher Jones (James Corden) nicht lustig, der böse Macavity (Idris Elba) nicht dämonisch ist? Robbie Fairchild als Munkustrap ist einem zumindest nicht gänzlich unsympathisch, Rumpleteazer (Naoimh Morgan) und Mungojerrie (Danny Collins), Bombalurina (Taylor Swift), Growltiger (Ray Winstone), Cassandra (Mette Towley)… ja, sie sind alle dabei, man wird sie nicht in Erinnerung behalten. Der ausufernde Cast war ja schon im Musical das Problem und stellte die Regie vor die nicht leichte Aufgabe, jedem seine unverwechselbare Persönlichkeit zu geben und dem Zuschauer auch einzuprägen. Sollte im Kino, mit den Nahaufnahmen, doch leichter sein als auf der Bühne? Schnecken.
 
Am Ende hat man es mit einer glatten, parfümierten Version einer an sich schönen, wilden Geschichte zu tun, die auf der Leinwand nichts von ihrer Kraft und von ihrem Reiz entwickelt. Wie die Prädikatisierungs-Kommission, die sonst so streng ist, zu ihrer „Sehenswert“-Empfehlung kommt, das wissen die Götter…
 

Renate Wagner