Nudeln

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker

Nudeln
 
(ein Lied, welches oft auf dem Lande zu hören ist. Man schüttelt dabei zwei Nudeltüten wie ungezogene Kinder.)
 
Nichts Halbes und nicht Ganzes/ immer nur zu viel/ Nudeln weich zu kochen ist es fürchterliches Spiel/ im Wasser sich vermehren/ im Wasser sind sie dick/ ich konnte dabei klären/ dabei gibt’s doch ´nen Trick/ Wo bleibt nur Bischof Dyba/ ich habe noch Nudeln über/ nach der Spaghettibrechung/ gibt’s eine Heiligsprechung/ oh Nudeln, schlürf, schlürf/ Nudeln Schlürf, schlürf.//
 
„Lieber Herr Birkel, so kann das nicht weiter gehen. Die Nudel täuscht. Will ich mir eine Portion Spaghetti machen, habe ich gleich die ganze Woche was zu essen. Die Nudel täuscht vor, weniger zu sein, als sie dann wird. Wie ein Kind, das heimlich erwachsen wird. Wie ein Überraschungsei ohne Überraschung. Ich meine, das ist auch eine Überraschung, aber man freut sich nicht so. Wie ein ostwestfälischer Bauchredner, der seinen Text vergessen hat und keiner merkt es. Wie Lassie, die gerne mit Kindern spielt, aber sie noch lieber rettet.“
 
Wissen sie, ich habe Angst, daß die Spaghetti in meinem Bauche wieder steif werden und Mikado spielen mit Dünndarm und Dickdarm. Wissen sie, mich rührt so, daß Nudeln so zusammenhalten. Nudeln sind doch extrem anpassungsfähig. Sie leben sich sehr schnell ein, selbst in kleinsten Töpfen. Man fragt sich manchmal zu recht: Wo bleibt eigentlich das Wasser? Ich habe mir aber gesagt: Vielleicht wollen uns die Nudeln mit ihrem Understatement eine Botschaft mit auf dem Weg geben. Eine Botschaft wie: „Vertraue mir, und ich zeig die, was ich kann.“ Oder: „Laß dich fallen, laß dich gehen, werde weich.“ Oder: „Ist es noch bescheiden, wenn es auffällt?“ Oder: „Wenn es Nudeln gibt, dann lade Gäste ein.“ Was macht die kluge Hausfrau, deren Mann beim Kartoffelnholen in den Keller gefallen ist? Nudeln.
 

© Erwin Grosche