Ein Leben im Falschen

Viola Meike · Sarah Baldy – „Zeuge Waldeck“

von Frank Becker

Tatortfoto - Landesarchiv Berlin
Ein Leben im Falschen
 
Die kriminelle Karriere des Mörders und
Hochstaplers Rolf vom Busch
 
Berlin 1932. Der 16jährige Stricher Kurt Schöning wird bestialisch ermordet; die Ermittlungen des in den 1930ern legendären Kriminalkommissars Ernst Gennat führen zu dem aus Remscheid stammenden homosexuellen Hotelpagen Rolf vom Busch. Was wie ein simpler, wenn auch blutiger Kriminalfall beginnt, entwickelt sich bald als die abenteuerliche Lebensgeschichte eines völlig skrupellosen, weltgewandten Verbrechers, Hochstaplers und Mörders.
 
Es ist nahezu unfaßbar, was Viola Meike und Sarah Baldy, Mitarbeiterinnen des Remscheider Stadtarchivs in vierjähriger europaweiter Recherche über diesen aus kleinen Verhältnissen stammenden Rolf vom Busch al. Rolf von Busch, al. Dr. Rolf von Busch-Waldeck, al. Edler Freiherr von Busch-Waldeck, al. Dr. Dr. Rolf von Busch, gottgesandter Budhisattva, Gralsritter, Angelus etc. etc. etc. … herausgefunden, zusammengetragen und mit umfangreichem Quellenapparat belegt und kommentiert haben. Selten hat die deutsche Kriminalgeschichte ein derart begabten und vielseitigen Verbrecher und Lügenbaron gekannt, der im Dritten Reich wegen Morde zu 15 Jahren Zuchthaus und Sicherungsverwahrung verurteilt und zur physischen Vernichtung ins KZ eingeliefert worden ist und sogar daraus Vorteile ziehen und sich unter falschen Identitäten ein neues Leben aufbauen konnte.

Immer wieder führten auch schlampig angelegte polizeiliche Ermittlungsvorgänge und Akten, bzw. ungenau geführte amtliche Korrespondenzen zu Schlupflöchern, wo vom Busch eigentlich hätte entlarvt und gefaßt werden müssen. Doch sein in ständiger Veränderung befindliches Lügengespinst, die zahllosen Alias-Identitäten und Adressen führten nicht nur die preußischen Behörden an ihre Grenzen. Nach dem 2. Weltkrieg führte er die amerikanischen Besatzungsbehörden an der Nase herum und setzte sich nach Österreich ab, wo man Titeln und Adel trotz deren amtlicher Abschaffung nur allzu gerne auf den Leim ging. Man kann Rolf vom Busch zwar nicht mit dem genialen Hochstapler Harry Domela oder dem Gentleman-Verbrecher Edward Kray vergleichen, aber deren kriminelle Energie, gepaart mit ureigener Schamlosigkeit hatte er.


Heute, im Zeitalter auch der behördlichen elektronischen Datenverarbeitung und -speicherung, mit WorldWide Web und Smartphone wäre eine solche Karriere mit zwei falschen Doktortiteln (der Mann hatte nicht einmal einen Schulabschluß) und zahllosen erfundenen Adelstiteln und Familiengeschichten kaum mehr denkbar, von den 30er bis 60er Jahren des 20. Jahrhunderts aber waren seine Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit eine Bank.
Es ist eine faszinierende Kriminalgeschichte, die akribisch wissenschaftlich aufgezeichnet das Bild eines kaltblütigen Verbrechers, aber auch und vor allem mehr als ein halbes Jahrhundert Zeitgeschichte dokumentiert: Von der liberalen Zeit der Weimarer Republik mit dem turbulenten Berlin über den Nationalsozialismus mit all seinen Greueln bis hin zur Nachkriegs- und Wiederaufbauzeit im wie aus einem Dornröschenschlaf aufgewachten Wien, wo Rolf vom Busch bis zu seinem Lebensende die Menschen um sich herum belog und benutzte. Vom Busch starb unter erbärmlichen Umständen, aber vor Gericht gestellt wurde er nie mehr. Selten hat ein Verbrecher einen solchen Nachruf bekommen, wie er.
Eine auch durch die Aufzeichnungen seines letzten Opfers Margarete G., die ihm völlig verfallen war, beinahe unheimliche Kriminalgeschichte. Unbedingt lesenswert und von den Musenblättern empfohlen.
 
Viola Meike · Sarah Baldy – „Zeuge Waldeck“
Das erfundene Leben des Rolf vom Busch
© 2019 Bergischer Verlag / Bergischer Geschichtsverein, 214 Seiten, gebunden, 22 Abbildungen – ISBN:  978-3-945763-86-5
16,95 €
Weitere Informationen:  www.bergischerverlag.de