Bedeutungsvoll aufgeplustert und dabei grottenlangweilig

„Little Joe – Glück ist ein Geschäft“ von Jessica Hausner

von Renate Wagner

Little Joe – Glück ist ein Geschäft
(Österreich / GB 2019)

Drehbuch und Regie: Jessica Hausner
Mit: Emily Beecham, Ben Whishaw, Kerry Fox, Lindsay Duncan, Kit Connor u.a.
 
Normalerweise wirken Blumen schön und beruhigend, denn wir sind immer noch geneigt, die Natur großteils positiv zu besetzen. Nicht so in Jessica Hausners in englischer Sprache gedrehtem Film „Little Joe“, wo die Pflanzen, die da im Glashaus unter Laborbedingungen gezüchtet werden, von Anfang an gelinde seltsam, ja bedrohlich wirken.
Eine davon, die die Wissenschaftlerin Alice (Emily Beecham) so besonders fasziniert, dass sie sie (unerlaubt) auch nach Hause mitnimmt, soll sogar besondere Eigenschaften haben: Ihr Duft würde glücklich machen, sagt man. Alice weist ihren jungen Sohn Joe (Kit Connor) an, die Pflanze, die sie „Little Joe“ nennt, zu lieben und mit ihr zu reden…
Von Anfang an wirkt weniges an diesem Film real. Man kennt Jessica Hausner schließlich – sie hat es nicht so mit der harten Wirklichkeit. Schon die unheimliche Familiengeschichte „Lovely Rita“ (2001) hob ganz schön vom Boden ab, „Hotel“ (2004) war reiner Horror, „Lourdes“ (2009) eine Seltsamkeit, „Amour Fou“ (2014), die Selbstmord-Geschichte von Kleist, die reine Entfremdung. So ist die Autorin / Regisseurin sich in „Little Joe“ gänzlich treu geblieben. Und wenn sie etwa in Interviews erzählt, es ginge ihr um die Geschichte einer Frau, die ihre Arbeit so leidenschaftlich liebt wie ihren Sohn (mit der üblichen Zerrissenheit), so ist das eigentlich nicht, was man in erster Linie aus der Geschichte herauslesen würde.
Es scheint vielmehr um die zunehmende unheimliche Bedrohung durch die Pflanze zu gehen. Erst verändern sich Tiere, dann Menschen wie die Kollegin Bella (Kerry Fox), aus der man nicht klug wird, nicht klug werden soll: Erkennt sie, was da läuft, ist sie selbst schon von der Pflanze infiziert und hat ihre Persönlichkeit verändert, oder lügt sie, um die anderen irre zu führen? Die Entscheidung bleibt dem Zuschauer überlassen.
Auch Kollege Chris (Ben Whishaw) wird anders, und vor allem Sohn Joe, der auf einmal lieber mit seinem Vater leben will, und dessen wirklich furchterregende kleine farbige Freundin (Jessie-Mae Alonzo), die noch dazu ihre Spielchen mit Alice spielen. Je mehr sie überzeugt ist, dass die Pflanze Menschen verändert, umso mehr wollen die veränderten Menschen sie überzeugen, dass alles wunderbar sei. Wir haben hier wieder einmal das Thema der Besitzergreifung – aber ehrlich, mit einer dämonische Puppe ist dergleichen allemale spannender…
Was immer sich in Jessica Hausners Film begibt, es dreht sich im Kreis, die nüchternen Betrachtungen der Psychoanalytikerin (Lindsay Duncan), die schlicht meint, Alice möchte sich von ihrem Sohn, der ihr eine Last ist, befreien (tatsächlich liefert sie ihn beim Vater ab), steht gegen eine Welt, in der es irreal wabert. Das Spiel mit giftigen Farben, Geräuschen und magischer, beschwörender Musik ist technisch gut gemacht, aber wohl allgemein gebräuchliches Handwerk. Alles was geschieht, dreht sich inhaltlich und höchst unspannend im Kreis, und lange bevor man am Ende angelangt ist, weiß man längst, was Jessica Hausner einem sagen wollte…
Man könnte den Film natürlich auch als politische Parabel nehmen – ein „Etwas“ infiziert Menschen, die daraufhin zu anderen Persönlichkeiten mutieren, total eingeschworen auf ihr neues, anderes Selbst und bereit, dieses auch gewalttätig zu verteidigen… Aber diesen Weg geht Jessica Hausner nicht. Sie bleibt beim hintergründigen Horror. Und wollte man es ganz direkt sagen: Der Film ist bedeutungsvoll aufgeplustert und dabei grottenlangweilig.
 
 
Renate Wagner