Ausgestanden ist der Mißbrauch der Macht noch lange nicht.

„Bombshell“ von Jay Roach

von Renate Wagner

Bombshell
(USA 2019)

Regie: Jay Roach
Mit: Nicole Kidman, Charlize Theron, Margot Robbie, John Lithgow u.a.

Prädikat: Besonders wertvoll
 
Wir befinden uns mitten in der Hektik eines amerikanischen Fernsehstudios. Da wetzen sie herum, die hochkarätigen Stars, die in den USA jeder kennt, die Gesichter so glatt, die Haare so blond, die Erscheinung so perfekt gestylt. Sie sind diejenigen, die vor den Kameras ihre Shows haben. Wir erleben sie 2016, in einem Augenblick, wo sie Donald Trump für seine widerlichen Attacken auf Frauen angreifen. Aber was hilft es ihnen? „Bombshells“ zeigt Schritt für Schritt, wie jede von ihnen Opfer ist – auch wenn sie sich nun wehren.
Die Damen sind tatsächlich Bomben (an Persönlichkeit), aber so ist „Bombshell“ nicht gemeint – eher geht es um Bomben, die nun endlich geplatzt sind. Vielleicht ein bißchen zu sehr ausgeschlachtet in letzter Zeit, aber natürlich muß auch Hollywood – wer, wenn nicht Hollywood? – seinen Senf zur #metoo-Debatte beitragen. Viel zu lange hat man die Achseln gezuckt (wenn etwa Marilyn Monroe seligen Angedenkens deutlich schilderte, wie viel Zeit sie eindeutig beschäftigt unter den Schreibtischen von Produzenten verbracht hat…)

Dieser Film hat einen wahren Hintergrund: Es ist die Geschichte von Roger Ailes, dem ehemaligen CEO von Fox News, dessen Methoden von Frauen im Sommer 2016 vor Gericht gebracht wurden – mit der einzigen Folge, daß er Fox News mit einer Millionenabfindung von Rupert Murdoch verließ.
Am Schicksal von drei Frauen wird entwickelt, wie unendlich brutal es im Fernsehgeschäft zugeht (und vermutlich in vielen, vielen anderen Branchen auch). Die Damen an der Spitze haben sich sexuell verfügbar gemacht. Es wird deutlich ausgesprochen in dem Film: Keine Frau bekommt hier einen Job, die nicht bereit ist, mitzumachen. „Ich kann Dir helfen“, sagt der Boss. „Aber wenn Du mit den Big Boys mitspielen willst, mußt Du dich mit den Big Boys hinlegen…“
 
Aber man muß sich auch weiterhin ducken. Wenn man es nicht tut wie die von Nicole Kidman atemberaubend verkörperte Gretchen Carlson, ist man weg vom Fenster. Man glaubt gar nicht, wie schnell man aus einer Show genommen wird, in die man sich mühsam hinein gearbeitet hat. Aber jetzt will sie, daß das alles einmal öffentlich wird. Sexualität als Zahlungsmittel für Karriere. Das Hinnehmen von Demütigungen. Es ist Zeit, meint sie, daß all das ein Ende hat. Allerdings zögern selbst Anwälte (!!!) – niemand gewinnt, wenn man die Fernsehriesen klagt, meinen sie. Es ist gar nicht so einfach. Aber Gretchen will das durchziehen, egal, was es sie kostet.
Und man erlebt, wie der Alltag bei Fox News aussieht. In einer Szene, die einen beim Zusehen geradezu würgt, verlangt der Boß Roger Ailes (John Lithgow von triefender Widerlichkeit) von der schüchternen, aber doch ambitionierten Anfängerin (atemberaubend: Margot Robbie als Kayla Pospisil), daß sie ihr Kleid immer höher zieht – bis er ihr Höschen sieht. Da geifert nicht nur sexuelle Begierde aus seinen Augen, das ist auch Lust an der Macht, hilflose Menschen zu erniedrigen… „Ich kann dich in die erste Reihe stellen – aber ich will etwas dafür.“ Und der Mann, der dies alles zuläßt, ist Medienmogul Rupert Murdoch (Malcolm McDowell) im Hintergrund.
Und da ist noch Charlize Theron als Megyn Kelly, der größte Star bei Fox: Sie ist die mutige Frau, die sehr zur Wut seiner Wähler Trump attackiert hat. Sie hat es angeblich beim Fernsehen geschafft, ohne Roger zu Willen zu sein, aber sie mußte gewaltige Abwehrarbeit leisten. Und trotzdem schließt sie sich dem Feldzug an. Leicht ist es nicht, Frauen zu finden, die bereit sind, über das zu sprechen, was ihnen geschehen ist.
„Bombshell“ handelt davon, was #metoo letztlich durchgesetzt hat: Frauenloyalität. Die ist aber gar nicht so einfach zu erringen. Nicht alle sind auf der Seite der entlassenen Gretchen und ihres Feldzugs. Schließlich riskieren die Frauen nicht nur ihre Jobs, sondern ihre Zukunft, denn auch diese können die Männer (und ihre Netzwerke) zerstören. Und viele finden den „Sex-Preis“ nicht zu hoch für ihre Jobs, die gut bezahlt, glamourös und prestigeträchtig sind. Das Spiel funktioniert nur, wenn die Frauen mitmachen.
Und doch – andere reden als es zum Prozeß kommt, bei dem die Kräfte ungleich verteilt scheinen: Was haben die Frauen der Phalanx von Detektiven und Anwälten entgegen zu setzen, die die Bosse so locker in den Ring werfen? Es wird in diesem von Jay Roach gerade zu drängend inszenierten Film klar, wie viel Courage dazu gehört, auch in der Öffentlichkeit zu sagen, daß man ein männliches Genital hingehalten bekommt mit der Aufforderung: „Kiss him.“
 
Der Film scheut sich nicht, alle negativen Gefühle, die sich an #metoo heften, klar hinzustellen. Es ist eine große Geschichte, man hat sie als Zeitungsleser mitverfolgt. Und am Ende die Resignation: Wenn viel Geld fließt, erkauft man sich Schweigen. Hat man nicht auch das erlebt – daß ein Millionär Hunderttausende von Dollars zahlt, die Damen schweigen, und er Präsident einer der mächtigsten Nationen der Erde bleibt?
 
Nein, wirklich ausgestanden ist das Problem mit dem Mißbrauch der Macht noch lange nicht.
 
 
Renate Wagner