Vollgas!

Jussi Adler Olsen – „Opfer 2117“ - Der achte Fall für Carl Mørck und das Sonderdezernat Q

von Frank Becker

Vollgas!
 
Der achte Fall für Carl Mørck und das Sonderdezernat Q
 
Wenn es ein Film wäre – und ich bin sicher, daß aus dem Stoff auch bald einer gemacht wird - , trüge er zu Recht die Bezeichnung „Lehnenkraller“. Jussi Adler Olsens neuer Roman „Opfer 2117“ um das Kopenhagener Sonderdezernat Q läßt nach kurzem Einstieg den Leser einfach nicht meht los, wird zum „Pageturner“, der dermaßen Fahrt aufnimmt, daß man ihn fieberhaft weiterliest, hat man einmal den gewissen Punkt erreicht. Man verschlingt ab dann die Seiten, ohne auf die Uhr oder die Bushaltestelle zu achten, an der man eigentlich hätte aussteigen sollen.
 
Zum Inhalt aus dem Verlagstext: Auf Zypern wird der spanische Journalist Joan Aiguader Zeuge, wie Helfer eine Tote aus dem Wasser ziehen: eine alte Frau aus dem Nahen Osten. Auf der sogenannten »Tafel der Schande« am Strand von Barcelona, wo die aktuelle Zahl der im Mittelmeer ertrunkenen Bootsflüchtlinge angezeigt wird, ist sie das ›Opfer 2117‹. Doch die alte Frau ist nicht ertrunken, sondern ermordet worden.
Als Carl Mørcks Assitent Assad vom Sonderdezernat Q das Bild des ›Opfers 2117‹ zu Gesicht bekommt, bricht er zusammen. Denn er kannte diese Frau nur zu gut. Ein komplexer und hochemotionaler Fall für Carls Mørcks Team, der vor allem Assad an seine Grenzen bringt - und darüber hinaus.
Zur selben Zeit reagiert der 22-jährige Alexander in Kopenhagen mit dem Killerspiel ›Kill Sublime‹ seinen Haß auf seine Eltern und die Gesellschaft ab. Das Foto des ›Opfers 2117‹. das weltweit durch die Presse ging, hängt an seiner Pinnwand. Er beschließt spontan, Rache zu nehmen für diese Frau, indem er ›Kill Sublime‹ bis Level 2117 spielt. Dann will er das Haus verlassen, um wahllos zu morden. Im Moment ist er bei Level 1970 angelangt…

Jussi Adler Olsen baut vier Haupt-Erzählstränge, Rückblenden und einige Nebenschauplätze auf, die er aufeinander zulaufend so raffiniert verknüpft und doch stückelt, daß die Spannung nicht nur nie nachläßt, sondern ständig, bis zur Atemlosigkeit ansteigt. Gleichzeitig erleben wir das bekannte und bewährte Personal Carl Mørck, Hafez el-Assad, Rose Knudsen und Gordon Taylor in Ausnahmesituationen, in denen sie – jeder auf seine Art – im Angesicht der drohenden Ereignisse über sich hinauswachsen. Assad muß sein Inkognito lüften, Carl steht nebenbei vor gravierenden persönlichen Entscheidungen, Rose verläßt ihre nach ihrem Trauma selbstgewählte Isolation und kommt ins Team zurück, und Gordon zeigt ungeahnte Entschlußkraft und legt an Charakter zu.
 
Die für diesen Roman entworfene zentrale Figur Ghaalib – ein grausamer Folterer aus der Zeit des Saddam-Regimes im Irak, der sich später zum Gotteskrieger stilisiert hat – will an Assad unter dem Deckmantel des heiligen Krieges persönliche Rache nehmen, koste es, was es wolle. Zugleich will er in Deutschland – und hier zeigt sich die diffuse Gedankenwelt, der Irrsinn des islamischen Glaubensfanatismus – soviel „Ungläubige“ in den Tod reißen wie nur möglich. Als Zeugen und Berichterstatter dieses geplanten schrecklichen Massakers zwingt und entführt er den spanischen Journalisten Joan Aiguader. Jussi Adler Olsen nimmt dankenswerterweise kein Blatt vor den Mund, wenn er den irrationalen Haß fundamentaler Islamisten beschreibt, analysiert und darstellt, was er ist: Selbstsüchtiger Wahnsinn von „Männern“, die das Wort ihres Gottes Allah in den Dreck ziehen und den wahren Muslimen heiligen Koran mit Füßen treten, um ihre Macht-, Gewalt- und Sexualphantasien auszuleben.  
 
Es ist ein ungemein spannendes, aufwühlendes Buch, das auch einen Finger in eine schwärende Wunde der westlichen Gesellschaft legt, die hemmungslose Orgie von nicht verbotenen blutigen Ballerspielen im Internet und auf Playstations, die schwache Charaktere immer öfter zu fürchterlichen Gewaltausbrüchen führt. Eine Empfehlung der Musenblätter.
 
Jussi Adler Olsen – „Opfer 2117“
Deutsch von Hannes Thiess
© 2019 dtv, 585 Seiten, gebunden, Schutzumschlag, Lesebändchen – ISBN: 978-3-423-28210-9
24,- €
Weitere Informationen: www.dtv.de