Neues Wohnen in den 1920ern - Beispiele aus dem Berliner Südwesten

„Neues Wohnen - Innovative Wohnformen der 1920er Jahre“ (Hrsg. v. Brigitte Hausmann)

von Frank Becker

Neues Wohnen in den 1920ern
 
Beispiele aus dem Berliner Südwesten
 
Als die Hauptstadt sich nach dem überstandenen Ersten Weltkrieg auch unter dem Druck des Zuzugs aus dem Reich auszudehnen begann und das Wilhelminische der Moderne wich, hatten Design und  Architektur freies Feld, das Wohnen der neuen Zeit anzupassen. Licht, Raum und ästhetische Zweckmäßigkeit ersetzten Plüsch und Wucht, und auch ökologische Erwägungen veränderten vor 100 Jahren bereits die Planung neuer Individualhäuser, Siedlungen und Wohnanlagen. Denn es galt nicht nur, die Architektur zu erneuern, auch neue  Baustoffe und Energiegewinnung sollten der Zeit angepaßt sein.

Das betraf vor allem die damaligen Randbezirke Berlins, das durch Eingemeindungen 1920 zu Groß-Berlin geworden war, und in denen Raum genug zur Verfügung stand, auch großzügig zu bauen. Das sollte von Ballast befreit, lebensfreundlich und erschwinglich sein, mit den Worten des Schweizer Kunsthistorikers Sigfried Giedion (1888-1968) „…das billige Haus, das geöffnete Haus, das Haus, das uns das Leben erleichtert“ (1929 in „Befreites Wohnen“). Der Mensch und das Wohnen mit „Wohnwert“ standen für ihn im Mittelpunkt, also die Wohnung nicht nur als Schlafquartier und temporärer Aufenthalt. Er folgte damit dem Architekten und Stadtplaner Bruno Taut (1880-1938), der in seiner Schrift „Die neue Wohnung“ 1924 eine Modernisierung des Wohnungsbaus gefordert hatte. Nach heutiger gesellschaftlicher Auffassung allerdings kaum noch tragbar mit dem damals noch gültigen rollenbedingten Ansatz, der Frau als Hausfrau eine Mitgestaltung der Wohnung als ihr Wirkungsfeld zuzusprechen.

Die südwestlichen neuen Stadtbezirke Steglitz und Zehlendorf lassen noch heute die Handschrift der Architekten und Stadtplaner der 20er Jahre wie Otto Ludwig Salvisberg, Richard Neutra, Mebes & Emmerich, Fred Forbát, Bruno Paul oder Peter Behrens erkennen, weshalb eine Untersuchung über neues Wohnen und die innovative Wohnformen der 1920er Jahre dort auf ein reiches Feld stoßen konnte. Ein Autorinnenteam untersuchte an Beispielen von u.a. der „Rauchlosen Siedlung“ in Steglitz (Munsterdamm, Immenweg, Steglitzer Damm, Kottesteig) und der Zehlendorfer Waldsiedlung Onkel Toms Hütte sowie vielen Einzelbeispielen wie dem „Kupferhaus“ in der Dahlemer Schorlemerallee alle Aspekte dieser neuen Bauweisen, Grundrisse, Verkehrs- und Energieplanungen und innenarchitektonischen Stile wie Raumausstattungen und Mobiliar,. Der Fotograf Friedhelm Hoffmann hat das Projekt mit zahlreichen brillanten Aufnahmen begleitet und das Heute dem Gestern anschaulich gegenübergestellt.
 
Das reich bebilderte und bauhistorisch wie lokalhistorisch äußerst fesselnde Buch ist als Ergänzung des 2018 erschienenen Bandes „Neues Bauen“ ein hervorragendes Dokument der Architektur- und Stilgeschichte am Beispiel Berlins. Von uns sehr empfohlen und mit unserem Prädikat, dem Musenkuß ausgezeichnet.

Die Autoren und Autorinnen
Michael Bienert, Nicola Bröcker, Celina Kress, Gisela Moeller, Simone Oelker, Harriet Roth, Thomas Schmidt und Thomas Steigenberger
Der Fotograf
Friedhelm Hoffmann lebt und arbeitet in Berlin.
Die Herausgeberin
Brigitte Hausmann ist Leiterin des Fachbereichs Kultur im Amt für Weiterbildung und Kultur, Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin.
Die Redaktion
Nicola Bröcker, Celina Kress und Simone Oelker (team [BEST] projekte für baukultur und stadt) realisieren innovative Formate im Bereich Architektur, Städtebau und Kunst.

Neues Wohnen - Innovative Wohnformen der 1920er Jahre
Groß-Berlin und die Folgen für Steglitz und Zehlendorf
Hrsg. Brigitte Hausmann (Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin)
Redaktion: team [BEST] projekte für baukultur und stadt
Fotografien von Friedhelm Hoffmann
© 2020 Gebrüder Mann Verlag, 99 Seiten, gebunden, mit 70 Farb- u. 53 s/w-Abb., 17×24 cm -  ISBN 978-3-7861-2833-5
24,90 € [D]
Weitere Informationen:  www.reimer-mann-verlag.de/mann/