Für sinnlose Vorgänge besteht kein Regelungsbedarf

Werner Koczwara: „Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt“

von Frank Becker und Jürgen Kasten

Für sinnlose Vorgänge
besteht kein Regelungsbedarf
(OLG Köln. 82 Ss Owi 93/09)
 
Werner Koczwara mit
„Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt“
 
Kaum waren die Gebote in die Welt gesetzt „Von diesem Apfel der Erkenntnis dürft ihr nicht essen“, bedurfte Gottes Schöpfung einer Korrektur. Es brauchte jemanden, der Gebote interpretieren konnte, den Rechtsanwalt nämlich. Der ja eigentlich, so Werner Koczwara, als Übersetzer fungiert. Heute mehr denn je, da wir normenverliebte Deutsche alles und jedes per Gesetz geregelt sehen wollen. Und darum geht es Werner Koczwara eigentlich. Darum, uns diesen hanebüchenen Unsinn, den Parlamente und Verwaltungen gebären, vor Augen zu führen. Schon das normale Amtsdeutsch ist schwer verdaulich, Gesetze jedoch sind in einer völlig unverständlichen Sprache abgefaßt.

Um den Beweis anzutreten, hat sich Werner Koczwara für sein ebenso scharfsinniges wie scharfzüngiges Kabarettprogramm „Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt“ um Gesetzgebung und Rechtsprechung durch die unermeßliche Flut deutscher Gesetzestexte, verkörpert durch den „Schönfelder – Deutsche Gesetze“ (mit ca. 25.000 Paragraphen), an dem gemessen Tolstois „Krieg und Frieden“ eine Broschüre ist und dessen nicht weniger voluminöses Geschwister, den „Sartorius“ (summa 5 Kilo Gesetze für lumpige 78 Euro) sowie durch juristische Fachzeitschriften gelesen und die Quintessenz in ein Kabarettprogramm gepackt, mit dem er seit 19 Jahren und mehr als 1.000 Vorstellungen erfolgreich durch die Republik tourt. Mit treffenden Zitaten aus diesen Bestsellern, die zu 5 % aus Sex, 85 % aus Crime, 10 % aus unfreiwilligem Humor und zu null % aus Handlung bestehen, geizt er, obwohl Schwabe, nicht. Es ist keine Schande, Jurist zu sein, konstatiert man – höchstens, keinen Humor zu haben. Den aber haben er und sein Publikum im Düsseldorfer Kom(m)ödchen auch, wie sich bei der Aufzeichnung für die hier vorliegende DVD dortselbst erwies.
 
Koczwara zitiert Paragraphen, die den Normalsterblichen kopfschüttelnd verstummen lassen. Er zerlegt sie, spinnt sie fort, kommentiert das vermeintlich gemeinte, bildet irrsinnige praktische Beispiele und stellt sie per Satire ins rechte Licht. Ein Spaß, der am Verstand der zur Vollkommenheit strebenden Schöpfer dieser absurden Wortgebilde zweifeln läßt. Der Wahn, sämtlich erdenkliche Varianten in einen Paragraphen zu stecken und möglichst in einem Satz zu binden, gebiert Realsatire.
Koczwara legt es offen. Die Werte haben sich verschoben, doch die Juristerei – „die größte Verschwendung von Intelligenz außerhalb von Werbeagenturen“ - treibt immer schillernde Blüten. Die pflückt und botanisiert Koczwara in einem 99-minütigen Dauerfeuer (mit dem Bonus-Prgramm, ebenfalls auf dieser DVD werden es 141 Minuten) gesetzlich zulässiger, weil gerichtsnotorischer Pointen. Mit wie aus Stahl geschnittener Stimme zitiert er die absonderlichsten Paragraphen aus ebenso sonderbaren Gesetzeswerken und ihre Umsetzung in Gerichtsurteilen, ein zwerchfellerschütternder Exkurs durch den Dschungel und die Kapriolen deutschen Rechts, in dem tatsächlich noch eine Durchführungsverordnung zu einem Gesetz existiert, die den „Führer“ als Entscheidungsträger nennt.
 
Die Beispiele, die Korczwara für sein Programm fand, sind ein wahrer Schatz juristischer Hochkomik. Klar umrissen ist noch § 1923 BGB zum Erbrecht: „Erbe kann nur werden, wer lebt.“ Weiter heißt es aber auch: „sobald ein neues Testament da ist, wird das alte Testament ungültig.“ Warum, so Koczwara, beziehen sich dann immer noch so viele Priester auf das „Alte Testament“?
Auch klar, wenn auch ziemlich überflüssig ist die Erkenntnis aus § 14 des Personalratsgesetzes: „Besteht ein Personalrat nur aus einer Person, so erübrigt sich die Trennung nach Geschlechtern“.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das unser gesamtes gesellschaftliches Leben regelt, findet sich aber auch § 164, der einen einfachen Lebenssachverhalt auf den Punkt bringt: „Tritt der Wille, in fremden Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.“
Daß man 12 Semester Jura studieren muß, um das zu verstehen, liegt auf der Hand.
Etwas einfacher kommt § 1314 BGB daher: „Ein Ehegatte kann die Aufhebung der Ehe begehren, wenn er bei der Eheschließung nicht gewußt hat, daß es sich um eine Eheschließung handelt.“
Hilfreich dagegen das Recht eines Strafgefangenen, wie im § 57 StGB (Strafgesetzbuch) festgeschrieben: „Niemand darf gegen seinen Willen vorzeitig aus der Haft entlassen werden.“
 
Dies sind nur einige wenige der irrwitzig skurrilen Paragraphen, die Werner Koczwara in der umfangreichen deutschen Rechtsprechung fand. Sparen Sie das Geld, das eine komplette Gesetzessammlung kostet, investieren Sie 15,90 € (inkl. 19% MwSt. zzgl. Versandkosten) für Auslandsversand in Koczwaras Einführungsseminar auf der Tackerfilm-DVD und lachen Sie sich krank. Der Rest reicht für einen Arztbesuch und wenn gar nichts mehr hilft, auch noch für einen Rechtsanwalt. Für sein Laokoon-Ringen mit dem deutschen Paragraphen-Ungeheuer verdient Werner Koczwara unser Lob, den Musenkuß.
 
Übrigens: „Stirbt ein Beamter auf einer Dienstreise, ist die Dienstreise beendet (BGH).
 
Werner Koczwara: „Am achten Tag schuf Gott den Rechtsanwalt“
© 2019 Tackerfilm - 1 DVD
Regie: Wolfgang Dresler
15,90 €

Inhalt:
Teil 1: 43:44 - Teil 2: 45:14
Bonusprogramm „Am Tag als ein Grenzstein verrückt wurde“: 42:03
Interview von Wolfgang Dresler mit Werner Koczwara: 10:42
am Tag als der Grenzstein verrückt wu

Weitere Informationen: www.tackerfilm.de
 
Wer Werner Koczwaras Texte nachlesen möchte findet eine Buchausgabe, ursprünglich aus dem ⇒ Verlag Antje Kunstmann