Corona international

von Johannes Vesper

Johannes Vesper - Foto © Karl-Heinz Krauskopf 
Corona international
 
Die Pandemie wirkt sich in der Welt unterschiedlich aus. In Italien, wo das Virus wirklich wütet, singen die Menschen sich von den Balkonen gegenseitig Trost zu. „Alles wird gut“ im Kanon oder mehrstimmig, begleitet von den improvisierenden Schlagzeugen, vertreibt das Virus sicher nicht, aber vielleicht den Dämon der Angst. Zwar weiß oder fürchtet in Deutschland bei den gravierenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens kein Mensch einen signifikanten Anstieg der Selbstmordrate. Bisher hat aber der Fußball-Schiri auch erst wenige Fußballwochenenden nicht gepfiffen. Aber die „German Angst“ führt unabhängig von der Bundesliga jedenfalls zu Dünnpfiff. Dieser deutsche Angstpfiff ist nicht Ausdruck musikalischer Innerlichkeit und  hat auch mit Musik und Singen nichts zu tun. Er ist Folge direkter Einwirkung der Psyche auf den Darm. Daher braucht der Deutsche in der Krise keinen Gesang, sondern Klopapier, aber nicht nur das: auch Nudeln. Die braucht Gerüchten zufolge der Italiener nicht. Er hortet Primitivo und Grappa. Heute Morgen gab es in meinem REWE nicht nur keine Nudeln, sondern auch keine Küchenrollen kein Klopapier, schlicht überhaupt kein Papier. Im gesamten Gang waren die Regale leer. Aldi, Lidl und Co. suchen händeringend Arbeitskräfte. Sie können die Regale gar nicht so schnell füllen, wie der deutsche Sozialhamster sie leerkauft. Andererseits versucht es der weltberühmte Pianist Igor Levit mit Klaviermusik und spielt jeden Abend um 19 Uhr in Socken gegen die Angst an (auf Twitter @igorpianist folgen oder auch unter https://www.pscp.tv/igorpianist/1gqxvEMADRBJB ).

Die Engländer sind ja berühmt für ihre Schafe. Während wir auf dem Kontinent versuchen, die Ausbreitung des Virus zu verhindern,  will der berühmte englische Premier, der als „Popo“ in die Literaturgeschichte eingegangen ist (A.L. Kennedy), mit schneller Verbreitung des Virus eine frühzeitige Herdenimmunität unter seinen Schafen erreichen. Ehrlich, wie der Weltmeister der Lüge nur selten ist, bekannte er seinen Wählern letzte Woche: „Familien werden geliebte (vor allem ältere!) Angehörige früher verlieren als erhofft“. Utilitaristisch wie der Engländer ist, glaubt er so mit den wenigen Intensivbetten, die im Land des berühmten National Health Service zur Verfügung stehen, für die nicht vorzeitig Sterbenden auszukommen. Wie geht man sonst so mit dem Virus um? Die Schotten werden Whiskey, die Niederländer Hasch und Gouda horten, in den USA  sind es vermutlich Waffen. An Lebenslust, Kultur und Lebensfreude übertreffen die Franzosen aber alle anderen: Sie produzieren jetzt statt Parfum und teurem Rasierwasser Desinfektionsmittel und horten Baguette, Rotwein und Kondome. Auch die Pandemie hat zwei Seiten.     
 
© 2020 Johannes Vesper