Teddy
Neulich habe ich mir im Thalia einen Steiff-Teddy gekauft. Eigentlich hatte ich bei dem Mistwetter nur Zeit totschlagen wollen und landete eher zufällig in der Etage mit den Kinderbüchern und den Steiff-Teddies. Begeistert schaute ich mich um. Hier fühlte ich mich zu Hause. In der Kinderbuchabteilung war alles so, wie es in der Welt sein sollte. „Teilen macht Spaß, nach dem Streit soll man sich versöhnen, und wenn man jemanden sieht, der unsere Hilfe braucht, dann helfen wir ihm.“ Hatte ich mich zu früh von diesem Abschnitt meines Lebens getrennt? Ich hätte länger am Kindsein festhalten sollen. Ich fühlte mich geborgen und nicht allein. Schnell nahm ich Kontakt zu einem Teddy auf, der mich gern zu haben schien. Konnte das sein? War ich ein Mann, den Bären lieben konnten? Ich nahm den Pfundskerl auf den Arm und wunderte mich wie weich er war. Ich konnte mich noch an Teddies erinnern, die hart waren wie ein Räuberfurz. Man konnte damit jeden erschlagen, der ihn auch mal halten wollte. Ich schaute aus dem Fenster und sah den Menschen zu, die mit Schirmen durch den Regen hetzten. Wie schön wäre es, wenn man an einem solchen Tag einen Freund hätte, den man in seine Arme schließen konnte und der so weich war wie das Herz einer Prinzessin. Nach dem Streit mit seiner Frau, könnte man sich mit ihm aussprechen. Er würde zu einem halten. Nach dem Abstieg seines Lieblingsvereins schenkte er einem Trost und machte „Brumm“, wenn man auf seinen Bauch drückte. Ich beschloß den Teddy mit nach Hause zu nehmen. Plötzlich fiel mir mein Hund ein. Ich hatte ja einen Hund, der immer davon ausging, daß alle Plüschtiere und Bälle ihm gehören. Ich konnte ihm doch nicht sagen, daß der Teddy weicher und verständnisvoller war als er. Er würde den kleinen Kerl vor lauter Wut zerfetzen und kein gutes Haar an ihm lassen. Nun treffe ich mich heimlich mit meinem Teddy. Ich warte immer, bis der Hund mit meiner Frau Ballwerfen im Garten übt. Ich treffe mich dann mit ihm im Büro. Natürlich weiß meine Frau Bescheid, und da passiert nichts, was der Teddy nicht auch will. Der Hund denkt, ich mache ein Mittagsschläfchen, aber in Wahrheit kuschele ich mit meinem Teddy und drücke ihn an mich wie eine Wärmflasche. So weit ist es schon gekommen, daß ich als erwachsener Mann mich heimlich mit einem Teddy treffen muß. Eines Tages sah ich ein Kind, das ganz traurig war und keiner wußte, wie man dem Kind helfen kann. Ich wußte es. Nun hat Teddy ein neues Zuhause bekommen. Das ist schon in Ordnung. Man kann Glück nur genießen, wenn der andere auch glücklich ist.
© Erwin Grosche - 2020 für die Musenblätter
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