Ich hatte mir noch so viel vorgenommen

Hannes Wader – „Trotz alledem - Mein Leben“

von Frank Becker

Ich hatte mir noch so viel vorgenommen
(Heute hier, morgen dort…)
 
Hannes Waders Autobiographie ist auch ein Zeitzeugnis
 
Seine Lieder der frühen Alben „Ich hatte mir noch so viel vorgenommen“ (1971), „7 Lieder“ und „Der Rattenfänger“ wurden zu Hymnen einer widerspenstigen Generation. Wie oft haben wir in den 70ern seine Platten gespielt, mitgespottet, mitgelitten und mitgesungen. Ihr lakonischer Zynismus, die bitter-komische Selbstironie und der Aberwitz mancher Texte – ich erinnere an das Schwein „Monika“ – kamen als bissiger Gegenpol zur träumerisch-ästhetischen Lyrik Reinhard Meys, dem puren Ulk von Insterburg & Co. oder der Poesie Klaus Hoffmanns an. Sein Lied „Heute hier, morgen dort“ ist im Grunde Hannes Waders (*1942) Lebensgeschichte, bereits 40 Jahre vor seiner Autobiographie in Verse gefaßt.
Ewig unterwegs, wenig seßhaft, gegen den Strich gebürstet richtet er sein Leben nach kleinbürgerlicher ländlicher Jugend in der Nachkriegszeit ein. Nach der Dekorateurlehre, ersten Versuchen als Barmusiker und Umzug zum Grafik-Studium erst nach Bielefeld, dann nach West-Berlin erlebt er intensiv und aktiv Arbeiter- und Friedensbewegung, den „Deutschen Herbst“, engagiert sich für den Kommunismus in Form der DKP und erlebt schließlich die Wiedervereinigung Deutschlands.
 
Er wird Komponist, Texter, Sänger und Gitarrist gehört seit Jahrzehnten zu den bekanntesten deutschen Liedermachern, bekommt den (jetzt abgeschafften) »Echo« für sein Lebenswerk und veröffentlicht 35 Studio- und Live-Alben, von »Hannes Wader singt« (1969), über u.a. »7 Lieder« (1972), »Plattdeutsche Lieder« (1974), »Arbeiterlieder« (1977), »Wieder unterwegs« (1979), »Es ist an der Zeit« (1980), »Liebeslieder« (1986), »Liebe, Schnaps und Tod – Wader singt Bellman« (eins seiner besten Alben, mit Reihard Mey und Klaus Hoffmann,1996) bis zu »Macht’s gut« (2018). Hannes Wader gilt zu Recht als ein großer Mahner, griff er doch auch stets aktuelle politische und soziale Entwicklungen kritisch auf. Seit der große Moralist Hanns Dieter Hüsch abgetreten war, lag die Last der Mahnung allein auf den Schultern von Sängern wie Hannes Wader.
Nachdem er sich verdient von der Bühne zurückgezogen hat, erzählt Hannes Wader in „Trotz alledem - Mein Leben“ nun sein bewegtes Leben als Schüler und Lehrling, unter Frauen und befreundeten Künstlern, mit Hunden und Pferden, George Brassens und Bob Dylan in griffigen, lebendigen Bildern, in die man gerne eintaucht. Auch seine bis heute nicht eindeutig geklärten Verbindungen zur RAF unter Andreas Baader und Gudrun Ensslin (er schreibt, daß er von nichts gewußt hat und ohne Kenntnis der RAF-Zusammenhänge ausgenutzt wurde) spart er nicht aus. Wie auch, es hat ihn jahrelang seine Reputation gekostet und ihn der staatlichen Überwachung ausgesetzt.
Mit diesem Buch und seinem Schatz an großartigen, ehrlichen, frechen, melancholischen, manchmal etwas verrückten und vor allem moralischen Liedern auf Tonträgern bleibt präsent. Für Hannes Waders Werk schulden wir ihm Dank.  
 
Hannes Wader – „Trotz alledem - Mein Leben“
© 2019 Penguin Verlag, 592 Seiten, gebunden, Schutzumschlag, Lesebändchen
28,00 € [D] / 28,80 € [A] / 38,90 sFr
Weitere Informationen: www.penguin-verlag.de