Contemplation & Reflection

Carole A. Feuerman – „Fifty Years of Looking Good“

von Frank Becker

Umschlag: Survival of Serena 2006/17 © Carole A. Feuerman
Contemplation & Reflection
 
Carole A. Feuerman und die Kunst des Hyperrealismus
 
Der Wunsch, den perfekten Moment, die Schönheit des Menschen, die Ästhetik der Körper in Bewegung oder Ruhe plastisch festzuhalten ist seit jeher die Antriebsfeder für die klassische Bildhauerei. Das gilt für den unbekannten Schöpfer der Venus von Willendorf und den der hellenistischen Venus von Milo ebenso wie für Tizian, Michelangelo und Leonardo, für Bertel Thorvaldsen, Max Klinger, Fritz Klimsch oder Wilhelm Lehmbruck.

Was an der realistischen Darstellung im Skulptur und Plastik so faszinierend ist, beschreibt der Bildhauer Peter Hohberger: „Es ist die Landschaft des menschlichen Körpers, des menschlichen Gesichtes - und die fand und finde ich überall: In den Skulpturen des antiken Griechenland und Rom oder in den Sportarenen unserer Welt und in den Bildwerken der großen Portraitisten. Ich (…) bewundere die Perfektion, die Artistik, (…) Mich fesselt an einer griechischen antiken Statue die Klarheit der Linie. Die Klarheit ist es, die mich stark berührt.“
Damit gibt Hohberger ein Stichwort: Klarheit. Der hat sich auch eine amerikanische Künstlerin verschrieben, um deren Werk es hier geht: Carole A. Feuerman. Sie gehört zu einer Riege von Künstlern, die im 20. Jahrhundert mit den Möglichkeiten neuer Werkstoffe wie Epoxit, Gußmarmor oder Resin, einhergehend mit der fotorealistischen Malerei, einer immer wieder verblüffenden plastischen Disziplin den Weg geebnet haben, dem Hyperrealismus.
Duane Hanson (1925-1996) und John De Andrea (*1941), dessen „Linda“ längst legendär ist und eben Carole A. Feuerman (*1945) haben diese Kunstform zur Perfektion gebracht: die skulpturale „true-to-life“-Darstellung, das in Lebensgröße und natürlichen Farben lebensechte Ab-Bild von Menschen. Auch dem Pop-Künstler Mel Ramos sind übrigens in Kleinserie einige brillante Plastiken solcher Art in seiner Food-Serie zu verdanken. Von den frühen 1970er Jahren an bestimmten amerikanischen Künstler diese Szene und tun es noch.

Carole A. Feuerman, Passages through Relationships 1981 - © Carole A. Feuerman © Photo Carole A. Feuerman Studio

 
Carole A. Feuerman, Kendall Island in Knokke 2016 - © Carole A. Feuerman, Courtesy 25 Edition of Sculpture Link

Die Anfang der 70er noch als Grafikerin arbeitende Carole A. Feuerman (Album Cover Art u.a. für Alice Cooper und die Rolling Stones) wandte sich ab 1978 der Skulptur zu und gab dem Hyperrealismus ein, ihr eigenes Gesicht. Sie ist seitdem, also seit mehr als 40 Jahren die vielleicht fleißigste und neben De Andrea genialste Künstlerin des Genres. Ihrem sich bis heute fortsetzenden Werk, das sich zentral und immer wieder um die aus den Fluten aufgetauchte Schwimmerin dreht (The Midpoint, Capri u.v.a.m.), auch gerne mal mit Svarowski-Badehaube, widmet sich ein opulent ausgestatteter Bildband aus dem Verlag Scheidegger & Spiess, herausgegeben von dem amerikanischen Kunsthistoriker John T. Spike.
 
 
Carole A. Feuerman, Chrysalis 2007 - © Carole A. Feuerman © Photo Alessandro Moggi

Das Betrachten der sage und schreibe 120 farbigen Abbildungen lebensgroßer oder überdimensionierter Skulpturen ist purer Bilderrausch, faszinierend in Gesamtansicht und Detail. Carole A. Feuermans kolorierte lebensechte Ganzfiguren, Teil-Darstellungen, Büsten und Torsi sind in ihrer bis zum Wassertropfen hyperrealen Illusion ein beredter Genuß, ihre teilvergoldeten Jugendstil-Adaptionen wie „Levitation“ und kolorierten oder schwarz-goldenen Bronzen wie „Kendall Island“, „Double Diver“ oder „Strength“ bestechen durch Kraft und Eleganz.
 
 
Carole A. Feuerman, Levitation 2018 - © Carole A. Feuerman © Photo Jorge Alvarez

 
Carole A. Feuerman, Diana III det. - © Carole A. Feuerman © Photo Carole A. Feuerman Studio

Ihre Hinwendungen zur antiken Plastik (Passags through relationship) und den großen Klassikern wie Michelangelo und z.B. seinem David aber setzen ihrem Werk eine glänzende Krone auf. Die sandgestrahlten durchbrochnen Bronze-Torsi „Aphrodite“, „Adonis“, „Athena“ und „Diana III“ (1999) sind in ihrer perfekten Ästhetik schlicht atemberaubend. Humorvoll zeigt sich in der Gegenüberstellung (S. 30-31) die glänzende Adaption von Auguste Rodins L´Âge d´arain (1906) in Feuermans Christina (2013) und in The Girl with the Pearl läßt eindeutig Kollege Mel Ramos grüßen.
Carole A. Feuerman stellt ihre Arbeiten international aus, einer ihrer Schwerpunkte in Europa ist Italien mit zentralem Fokus auf Venedig geworden, aber auch in Deutschland (Heilbronn, Tübingen, Wiesbaden, Bitburg) waren Arbeiten in den letzten Jahren zu sehen.
Werk und Buch sind eine Empfehlung wert und verdienen unser Prädikat, den Musenkuß.
 
 


Carole A. Feuerman - Das Spiel mit Rodin - © Carole A. Feuerman / Scheidegger & Spiess
 
Carole A. Feuerman –  „Fifty Years of Looking Good“
Hrsg. von John T. Spike, mit Beiträgen von Claudia Moscovici und John Yau - Text Englisch
© 2019 Scheidegger & Spiess, 191 Seiten, gebunden, Schutzumschlag, 24x30 cm, mit 120 farbigen Illustrationen - ISBN 978-3-85881-844-7
58,- € / 65,- sFr


Innencover: Perserverance 2019 © Carole A. Feuerman

Weitere Informationen: www.scheidegger-spiess.ch  und  www.carolefeuerman.com