Unser Fleisch gib uns heute...

Aus dem Tagebuch

von Wolfgang Nitschke

Wolfgang Nitschke - © Manfred Linke / laif
Unser Fleisch gib uns heute...
 

15.5.20
Kampf dem Schweinesystem
dpa meldet:
„Nach der Häufung von Corona-Infektionen in mehreren Schlachthö­fen stellt die Bundesregierung rechtliche Konsequenzen in Aussicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigten gestern im Bundestag an, daß das Coro­na-Ka­binett am kommenden Montag strengere Vorschriften beschlie­ßen werde. Merkel sprach von „erschreckenden Nachrichten“ aus der Fleischindustrie und verwies auf die oftmals prekären Arbeits- und Wohn­bedingungen der Beschäftigten. Und Heil, der Heilige Hubertus der Schlachthöfe, sprach:
„Wir werden mit diesen Verhältnissen aufräumen.“
Ich kann mir nicht helfen, aber es hat was Religiöses, oder?
Man könnte es auch mit diesen Worten formulieren:
Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich alles oder's bleibt, wie es ist.
 

16.5.20
Rinks und lechts
Bin etwas verwirrt.
Seit einiger Zeit komme ich immer öfter in die ausgesprochen lusti­ge, letztendlich aber mehr als merkwürdige Verlegenheit, mich als altgedienter, latent militanter Anti-Impi und Revolutionsromantiko, der sein halbes Polit-Leben on the road verbracht hat und auf allen Demos gegen alles Mögliche & Unmögliche der herrschenden Klassen machtvoll gegenangestinkstiefelt ist, nun in Gesprächen mit Freun­den und Bekannten, die einem nicht ganz so am Arsch vorbei­gehen, wie gesagt immer öfter, ja, gezwungen zu sehen, dies verkommene, imperialistische Drecksystem, dem man doch hundert1000mal den absofortigen finalen Abgang in die Hölle gewünscht hat, tatsächlich plötzlich in Schutz nehmen zu müssen und zu verteidigen gegen eine wie die Pest sich ausbreiten­de egomane, deutsche Volksfront aus Heimattümelei, Dummheit und Größenwahn, Verschwörungs­stuß, Esoterik und Judenhaß, ge­gen einen kranken Gedankenbrei, dem selbst Goebbels nicht so ohne Weiteres gefolgt wäre.
Und das Schlimmste ist: Man weiß gar nicht, in welches Ausland man noch auswandern könnte.
„Alors pour les remercier
Et pour la première fois
De ma vie d'anarchiste
J'suis allé embrasser un flic
Oui je me suis approché
Et j'ai embrassé un flic“
(Renaud)
 
 
17.5.20
Der Horror der Woche
BILD ist ihm begegnet:
„Grünen-Chef Robert Habeck will unser Fleisch teurer machen!“
UNSER!
Vastehnse?
UNSER!
Is ja unglaublich.
 
 
21.5.20
Hört, hört!
Das Bundeskabinett hat sich auf sog. Eckpunkte zum sog. Schutz der sog. Beschäftigten in der sog. Fleischindustrie geeinigt. Herr Huber­tus Heil, der sog. Minister für Arbeit und Soziales, verlautbarte:
„Für ein Geschäftsmodell, das die Ausbeutung von Menschen in Kauf nimmt und die Ausbreitung von Pandemien, kann es in Deutschland keine Toleranz geben.“
Abgesehen davon, daß es in der Vergangenheit bis heute ja wohl anders war … ich weiß, ich weiß, so meinte der das nicht … aber was sagt man denn dazu? Man sagt dazu: Gesagt ist gesagt. Und mehr auch nich‘. Oder so ähnlich.
Und so meldet dpa weiter:
„Die führenden Vertreter der deutschen Fleischindustrie wollen sich am Wochenende mit dem Bundesarbeitsminister treffen, um sich, wie es aus informierten Kreisen hieß, für die Fehler der Vergangen­heit zu entschuldigen oder so ähnlich. Für all die unerträglichen Schweinereien, die in der Fleischindustrie so gang und gäbe waren und so.“
(Pardon, die letzten anderthalb Sätze waren natürlich Quatsch bzw. grober Unfug. Aber irgendwie war grad gut im Fluß.)
 

25.5.20
Neues von Xavier Naidoo
„Die Erde ist kein Globus, die Erde ist flach.“
Als bibeldurchlauchter Verschwörungswilli ist unser Xavier „Die Wahrheit kommt nie so gut an“ also der sog. „festen Überzeugung“, daß die Erde doch eine Scheibe ist. Und jetzt wissen wir auch, wie seine urkomischen Texte immer zustande kommen.

 

Wolfgang Nitschke