Künstler? Lebenskünstler? Fotograf?

„Peter Beard“ - Hrsg. von Nejam Beard and David Fahey.

von Johannes Vesper

Peter Beard
Künstler? Lebenskünstler? Fotograf?
 
Von Johannes Vesper
 
Schräg erscheint er auf seiner Webseite. Das schwarz-weiße Foto (im Buch Seite 761) zeigt den jungen Peter Beard, korrekt gekleidet mit Jackett, lächelnd, extrem gutaussehend richtig schräg auf einer Wiese vor einem Bauernhof, eben noch stehend. Das ist er als stürzender Jack in dem Film „Halleluja the Hills“ von 1963. Ein Bild von hohem Symbolcharakter. Seine Freunde beschrieben ihn als unergründlichen Exzentriker mit exzeptionellem, prallem Leben. Persönlich eine krude Mischung aus Selbstironie und Selbstbewußtsein, hat er sich künstlerisch nie festgelegt. Die Fotografie spielte für ihn eine Riesenrolle, wobei sie ihm als Künstler, Kunstagitator, Sammler, Abenteurer nicht ausgereicht hat. Kollagen, Tagebücher, Notizen, spielerische Zeichnungen auf Fotos, oft auch auf Filmstreifen aneinandergereiht, werden thematisch wirr, als Phantasmagorien thematisch unbestimmt, dargeboten. Mit „zweckfreier Dokumentation“ habe er sein Leben vergeudet und sei froh darüber, gestand er einem Freund. In Alkohol eingelegte Rhinozerosembryonen, tote Giraffenbabies in Plastik verpackt, Affe auf Kamera, auf Krokodil reitende Models, verzerrte Gesichter wie von seinem Freund Francis Bacon gemalt, verstörende Bilder von Todeskandidaten in San Quentin, von archaischen Beschneidungen in Kenia, gefesselten oder abgeschlachteten Rhinozerossen, toten Gorillas und Wasserbüffeln, Tierknochen auf Halde, eines von Krikodilen zerfleischten Mannes, dann wieder spärlich bekleidete oder auch nackte, bildschöne schwarze Models (Iman, Fayel Tall, Boiloin, Faiza, Amina, Joy Mboya) zwischen Graffitimalern, auf kaputten Autos, mit lebendigen und auf toten Tieren, in der Wüste, tote Elefanten in der Savanne; überall handgeschriebene Texte auf Bildern und ihrem Rahmen: Verrückt, wahnsinnig erscheint sein Opus und stilistisch problematisch, jedenfalls nicht unangreifbar. Er selbst hielt sich wohl für einen Künstler, indem er auf Marcel Duchamps (1915) und Oscar Wilde verwies, nach denen alles Kunst sein kann, vor allem wenn es nutzlos ist.
 

Bild 1 - Fayel Tall © Peter Beard

Dabei startete seine Karriere durchaus bürgerlich konventionell. Er hatte in Yale ein Medizinstudium begonnen, aber doch bald wieder abgebrochen zugunsten eines Kunststudiums bei Josef Albers, den er kurz vor dessen Tod noch fotografieren durfte. Aber die Kunst, wie sie in Akademien betrieben und gelehrt wurde, war nicht sein Ding. Er wollte „Dinge einfach tun und ausprobieren, ohne viele Gedanken vorher darüber zu verschwenden“.
 
1955 fuhr er erstmalig nach Afrika, und zwar 1. Klasse auf der Queen Mary. Auf Deck las er „Jenseits von Afrika (Karen Blixen) und war seitdem dem Kontinent verfallen. Auf Rundreise über den Kontinent mit der Eisenbahn faßte er Fuß in Kenia. Kenia war damals eine der unberührtesten Regionen unserer Erde. 5,5 Millionen Einwohner (heute mit ca. 50 Millionen) teilten sich die Ressourcen des Landes mit vielen. Einst lebten nämlich 20 Millionen Elefanten in Afrika und Peter Beard beobachtete, wie sie damals einerseits von Wilderen gejagt wurden, aber andererseits sich selbst ruinierten, indem sie Bäume kahl fraßen und ihren Lebensraum zerstörten. Beard sprach von Bestandskontrolle, als er begann, zusammen mit anderen Großwildjägern Wildtiere in freier Natur zu erschießen, um sie anschließend zu fotografieren und ihr Schicksal öffentlich zu machen. Seine kommentierten Bilder von toten, in sich zusammengefallenen Elefanten haben ihn berühmt gemacht. 2016 wurden noch 352.271 in 18 afrikanischen Staaten gezählt. International bekannt wurde Peter Beard mit seinem Buch „Die letzte Jagd“ (1965). Auf seiner Webseite (www.peterbeard.com ) wird er als vorausschauender Künstler präsentiert, der frühzeitig Alarm bezüglich drohender und manifester Umweltschäden geschlagen habe.
 
 
Peter Beard Biographie S. 664-65 © Peter Beard

Persönlich umgab sich Peter Beard mit schönen Models wie Eva Herzigova, Janice Dickinson, Magritte Rammé), fotografierte sie wie die toten Elefanten in der Savanne oder anderswo und faßte seine Naturliebe banalisierend zusammen: „Das Allerletzte, was der Natur geblieben ist, ist die Schönheit der Frauen“ (Janice Dickinson, Seite 454). Als Modefotograf verdiente er zeitweise seine Croissants bei „Vogue“ oder produzierte Kalender für Pirelli. Finanziell hatte er keine Sorgen, stammte aus sehr reicher Familie. Sein Urgroßvater hatte als Vertreter eines „edlen Kapitalismus“, wie er tatsächlich selbst sagt, die transkontinentale Great Northern Eisenbahngesellschaft gegründet und Unsummen damit verdient. Sein Großvater erfand den Smoking.
 

Bild 52 - © Peter Beard Baha Haircut, Diary S. 100-01

Peter Beard startete als Fotograf mit einer Voigtländer oder auch mit einer Exakta, gelegentlich schoß er sogar Polaroidfotos, später fotografierte er mit Nikon und Leica. Die Fotos erscheinen technisch merkwürdigerweise oft dilettantisch bis hin zu Fehlbelichtungen und Unschärfe. Das Geheimnis der Fotografie bestand für ihn aus „… blindem Glück, Technik, Timing, Zugang, Psychologie, Beharrlichkeit, purer Zufall und gesundem Menschenverstand“. Gesellschaftlich sehr gut vernetzt, kannte er, um mit Lessing zu sprechen, Hinz und Kunz, also die Großen, alle, die Rang und Namen hatten, von den Kennedys inklusive Onassis, Mick und Bianca Jagger bis hin zu Francis Bacon, Salvador Dali, Andy Warhol und Pablo Picasso, in dessen Werk afrikanische Anthropologie durchaus eingeflossen ist. Im Film war er als Hauptdarsteller zu sehen („That summer“ 2017), aber ein Filmstar wurde er nicht. Hans Dampf also in vielen Gassen, ist er als solcher vielleicht Gunter Sachs hier in Deutschland vergleichbar, der wahrscheinlich aber der bessere Fotograf war. Gelebt hatte er viele Jahre als Nachbar von Karen Blixen auf seiner Hog Ranch in Kenia (die er auch in ihrem Haus in Rungsted/Kyst besuchte und porträtierte), umgeben von unglaublich vielseitigem Sammelsurium. Das Bild Main Tent (Hog Ranch, 1990) läßt seine Messie-Sammelleidenschaft erkennen. Er selbst sprach von seinem Haus als der „größten Show der Welt“ mit Warzenschweinen, Schirrantilopen, bis hin zu Giraffen und Löwen. Sein Haus auf Long Island brannte 1977 ab, damit war sein künstlerisches Material aus 20 Jahren vernichtet, was ihn aber nicht umgehauen hat. Geboren 1938, ließ seine Aktivität in den letzten Jahren wohl infolge einer dementiellen Entwicklung nach. Er starb er vor kurzem unter ungeklärten Umständen. Seine Leiche fand man, drei Wochen nachdem er als vermißt gemeldet worden war, im Camp Hero State Park Long Island (am 21.04.2020).
 
 
Bild 230 - © Peter Beard Snows of Kilimanjaro 1984

Bei Taschen erscheint nun die 4. Auflage seines Werkes. Es beruht auf einer limitierten Edition von 2008. Der voluminöse Band in Englisch, Deutsch und Französisch mit 387 meist großformatigen Fotos, Kollagen, Tagebuchaufzeichnungen und Bildern in gewohnt exzellenter Druckqualität, teilweise auf ausklappbaren Doppelseiten, erfaßt die Aktivitäten Peter Beards, der sein Leben inszenierte hat, wie wenige.
 
Als Gesamtkunstwerk wurde es von seiner Frau Nejam Beard und dem Galeristen David Fahey aus Los Angeles herausgegeben. Es beinhaltet zusätzlich zu Vorwort, Bildern und Tagebucheintragungen einen Essay von Owen Edwards, einen biographischen Teil mit der Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Peter Beard und Steven M.L. Aronson, die Bildfolge eines Sommers mit den Onassis und Kennedys in Griechenland. Eine Biographie findet sich nicht in dem Band. Das trotz weitgehend fehlender Seiten-Numerierung und unterschiedlicher Bild- und Seitenzahlen hilfreiche umfangreiche Abbildungsverzeichnis gibt immerhin Auskunft über Titel und Entstehungsjahr der Bilder. Die Orientierung im Buch ist dadurch nicht ganz einfach. Ein Literaturverzeichnis über den Künstler lädt zu weiterer Beschäftigung mit ihm ein. In dem handschriftlichen Essay zum Schluß äußerte Peter Beard seine Gedanken über Fotografie, Kunst und ihre Bedeutung für uns Menschen, die wir unsere Erde wie uns selbst pausenlos zerstören. Ist Peter Beard nun ein reicher Dandy oder doch eher Naturschützer, Urvater und Vordenker der großen Transformation, die wir bewältigen müssen, wollen wir auf Erden weiterleben? Er scheint in uns Menschen die fotografierten Elefanten zu sehen, die ihren eigenen Lebensraum zerstören. Ist er Künstler und Modefotograf, oder Umweltaktivist? In eine einzige Schublade wird man ihn nicht stecken können. Sein Lebensmotto lautete: „Nature I loved and next to nature art“.
 

Bild 295-296 - © Peter Beard S. 480-81

„Peter Beard“, edited by Nejam Beard and David Fahey.
© 2020 Peter Beard / Taschen GmbH, 770 Seiten, Ganzleinen, 387 Abbildungen, gebunden. 5.3 kg - ISBN 978-3-8365-7742-7,
100,- €

Weitere Informationen: https://www.taschen.com/

Redaktionelle Bearbeitung: Frank Becker