„Baby one more time“

Christoph Spengler produziert mit Chor und Orchester der Bergischen Universität zwei fulminante musikalische Clips

von Uwe Blass

Christoph Spengler - Foto © Sergej Lepke
Wissenschaftliche Forschung und Entwicklung, der Erkenntnisgewinn und das neu generierte Wissen sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft. Eine zentrale Bedeutung hat dabei der Transfer der Ergebnisse in die Öffentlichkeit, Wirtschaft, Politik und sozialen Institutionen. Mit den „Bergischen Transfergeschichten“ zeigt die Bergische Universität beispielhaft, wie sich Forscherinnen und Forscher mit ihrer Arbeit in die Region einbringen, mit anderen Partnern vernetzen und die Gesellschaft so aktiv mitgestalten.
 
Chor und Orchester der Bergischen Universität
trotzen mit Videos dem Auftrittsverbot

Christoph Spengler produzierte mit allen Mitgliedern
zwei fulminante musikalische Clips

My loneliness is killing me…“ (Meine Einsamkeit bringt mich um …) singt Britney Spears in ihrer 1999 veröffentlichten Single „Baby one more time“. Allein diese Zeile spricht vielen Kulturschaffenden, die in der Coronakrise nicht auftreten dürfen, aus der Seele. Dieses Los trifft auch den Hochschulchor und das Hochschulorchester der Bergischen Universität. Keine gemeinsamen Proben, kein kommunikativer Austausch, lediglich ein Warten auf kulturelle Lockerungen.
 
Musik ist mein Beruf und meine Leidenschaft
 
Christoph Spengler, der auch als Kirchenmusikdirektor, Dirigent und Lehrbeauftragter diverser Musikprojekte im ganzen Bundesgebiet unterwegs ist, sucht nach Lösungen aus dieser Krise. „Musik ist mein Beruf, aber eben auch meine Leidenschaft, und so ist mein ganzer Tag erfüllt von Musik“, sagt er. „Hinzu kommt, daß ich sehr schnell arbeite und - so glaube ich - eine ganz gute Auffassungsgabe habe. So geht mir vieles leicht von der Hand, und ich finde auch, daß die unterschiedlichen Bereiche, in denen ich arbeite, sich gegenseitig befruchten. Vermutlich hat meine Arbeitswoche eher 60 als 30 Stunden, aber ich erlebe das nur sehr selten als Überlastung. Ein Grund dafür ist, daß ich in den musikalischen Gruppen die ich leite, so vielen wundervollen Menschen begegne und so viel positive Energie zurückkommt. Wenn ich erst einmal in einer Chor- oder Orchesterprobe sitze, fühlt sich das gar nicht mehr so sehr wie „Arbeit“ an.“


Am Pult: Christoph Spengler - Foto © Frank Becker

2007 übernimmt er die Leitung des Chores, vier Jahre später auch die des Orchesters. Seitdem wachsen beide Ensembles stetig und auch die Zuschauerresonanz führt dazu, daß die Konzerte in immer größere Kirchen verlegt werden müssen. Seit 2016 musizieren die Sängerinnen, Sänger, Musikerinnen und Musiker in der Immanuelskirche. Und die Konzerte haben ein ganz ungewöhnliches Konzept.
„Ich glaube, daß ein großer Reiz darin liegt, daß wir uns in unseren Konzerten durch so unterschiedliche musikalische Genres bewegen“, erklärt er. „So spielt das UNI Orchester sowohl klassische Orchesterwerke als auch Stücke aus den Bereichen Filmmusik/Musical/Jazz. Der Chor UNI Chor singt Songs quer durch verschiedene populärmusikalische Stile: Rock, Latin, Pop, Musical und vieles mehr. Und dann gibt es noch das Barock-Ensemble des UNI Orchesters, das sich der Alten Musik widmet, sowie den Ferienchor, der sich vor allem im jazzigen Bereich bewegt. Diese Farbigkeit macht - so denke ich - Freude beim Zuhören.“
Die Bindung aller Sängerinnen und Sänger, Musikerinnen und Musiker der Ensembles an diese gemeinsame Sache sei einfach überwältigend, und dieser Funke springe auch in den Konzerten über. „Wir sind immer sehr stolz, wenn wir am Ende des Semesters unser gemeinsam erarbeitetes Programm präsentieren können. Und wir sind dankbar, daß so viele Menschen uns so gern zuhören!“
 

Am Pult: Christoph Spengler - Foto © Frank Becker

Stillstand durch Corona

Durch die Covid-19-Pandemie ändert sich zunächst einmal … alles.
„Das ist wirklich ein bitteres Thema für uns Musiker. Von heute auf morgen nicht mehr proben zu dürfen, war sicher eine notwendige Maßnahme, tut uns aber sehr weh. Und das geht weit über das reine Musizieren hinaus, denn ein Chor und ein Orchester sind ja auch eine soziale Gemeinschaft. Wir verbringen eine schöne Zeit miteinander, die uns ganz wertvoll ist. Das brach auf einmal komplett weg, und das schmerzt“, berichtet Spengler. „Ich vermisse die Proben mit ´meinen` Leuten sehr, und viele schreiben mir, daß es ihnen genau so geht. Leider sieht es ja auch so aus, daß es noch eine ganze Weile dauern wird, bis zum Beispiel gemeinsames Singen wieder gefahrlos möglich sein wird.“
 
Eine neue, zündende Idee muß her
 
Spengler nimmt die kulturfeindlichen Beschlüsse zum Ansporn, neue Ideen zu ersinnen und umzusetzen. „Ich wollte mich nicht damit abfinden, daß Corona bedeutet, daß UNI Chor und Orchester zum Stillstand kommen. Ich habe sofort begonnen, ein Konzept für Online-Proben zu entwickeln. Wir treffen uns jede Woche online, und ich probe mit dem UNI Chor. Das ist ein wenig seltsam, weil es „One Way“-Proben sind. Das heißt, aufgrund des Zeitversatzes bei den Online-Videos (in der Fachsprache nennt man das Latenz), ist es nicht möglich, daß alle gleichzeitig singen. Daher schalten alle ihre Mikros stumm, und ich probe, als würden alle vor mir sitzen, und die einzelnen Sängerinnen und Sänger singen zu Hause mit. Das ist anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig. Meine Frau ist in den Proben dabei, so, daß wir auch mehrstimmig singen können, was den Genußfaktor für die Chormitglieder - und auch für uns - erhöht.“ Noch komplizierter sei es mit dem Orchester, weil Spengler nicht alle Instrumente vorspielen kann. „So arbeiten wir hier mit Tutorinnen der Bergischen Symphoniker und des Sinfonieorchesters Wuppertal zusammen, die für uns Tutorials erstellen oder mit Kleingruppen online proben. Wir treffen uns regelmäßig zu Online-Besprechungen, wo wir über musikalische Details reden und auch Stücke für die nächsten Semester besprechen.“ Damit beide Gruppen auch etwas präsentieren, hatte er die Idee, je ein virtuelles Chor- und Orchestervideo zu erstellen. „Das heißt“ erzählt er begeistert, „jede und jeder nimmt sich selbst zu Hause auf und schickt mir sein Video. Ich baue das alles zu einem fertigen Clip zusammen, in dem man alle gleichzeitig musizieren sieht und hört.“
Entstanden sind daraus zwei Musikvideos, die gute Laune verbreiten und einen Weg aus der Krise aufzeigen. Spengler nennt es „ein schönes Signal nach innen und außen!“
 

Am Pult: Christoph Spengler - Foto © Frank Becker

„Baby one more time“ versus „Tennessee“

Der Chor hat sich dem Britney Spears-Hit von 1999 „… Baby One More Time“ gewidmet, ein Gute Laune-Song, der einfach Spaß macht, eine wichtige Voraussetzung für das intensive Projekt. „Zudem ist das Stück sehr rhythmisch, was das ´gemeinsame` Musizieren vereinfacht“, sagt Spengler lächelnd. „Für das Orchester habe ich das Stück „Tennessee“ aus dem Film „Pearl Harbor“ ausgewählt“, erzählt der 51jährige. Für das Klavier- und Orchesterstück konnte er zudem einen besonderen Solisten überreden. „Wir haben als Solisten Yuhao Guo gewinnen können, mit dem wir auch schon zweimal in unseren Konzerten zusammen gespielt haben. Er ist ein wunderbarer Mensch und ebenso genialer Musiker und hat der Idee sofort begeistert zugestimmt. Das Stück ist wunderschön und geht sehr zu Herzen, ein guter Kontrast zu der Chornummer.“

90 Spuren am Mischpult für einen guten Sound
 
Spengler greift nicht auf altbekannte Stücke zurück, sondern studiert beide Songs komplett neu, online ein. Nach den Einzelaufnahmen geht dann die eigentliche Arbeit erst so richtig los. „Wirklich heftig war für mich die Nachbearbeitung. Ich hatte im Falle des Chores 42 Videos vorliegen, im Falle des Orchesters sogar 50. Hinzu kommt, daß einige Musiker des Orchesters ihre Stimme mehrfach eingespielt haben, um einen noch „fetteren“ Sound zu erzeugen. So hatte ich am Mischpult am Ende beim Orchesterstück 90 (!) Spuren anliegen, die es galt, zu einem gemeinsamen Klang zu verbinden. Beim Chor waren es immerhin 65 Spuren.“ Und dann mußten noch alle Einzelvideos synchronisiert werden, denn „es muß ja alles übereinander passen. Das war eine unglaubliche Frickelei. Auch das Positionieren der Einzelvideos auf dem Bildschirm. Der Lüfter meines Computers ächzte die Tage auf Hochtouren, weil der Rechner mit einer Unmenge von Daten jonglieren mußte. 
Aber am Ende hat es ganz gut gepaßt, und das Ergebnis kann sich - finde ich - sehen und hören lassen!“
 

One more time... - Foto © Frank Becker

One more time…

Beide Videos sind bei Youtube in den Suchfunktionen https://youtu.be/nY4fuBf67xY für den Chor und https://youtu.be/eA1NnTVih48 für das Orchester oder auf der Presseseite der Bergischen Universität zu finden. „Es hat uns zusammengeschweißt, und wir sind alle sehr stolz auf das Ergebnis“ sagt er, „wenn die Krise also Proben weiterhin unmöglich macht - und damit müssen wir wohl noch eine Weile rechnen - werden wir auf weitere Videos zugehen.“ Trotz Probenpause melden sich immer wieder interessierte Damen und Herren, die dem Chor oder dem Orchester beitreten wollen. „Darüber freuen wir uns natürlich sehr, und jede und jeder, der oder die am gemeinsamen Musizieren Freude hat - wenn auch zunächst „nur“ online - ist bei uns ganz herzlich willkommen!“ Seine abschließenden Worte richtet er dann auch an seine Ensembles. „Ich danke allen, die mit so viel Begeisterung und Engagement diese Produktionen möglich gemacht haben, von ganzem Herzen! Diese beiden Ensembles sind für mich etwas ganz Besonderes, und es ist eine Ehre und Freude, mit ihnen so wundervolle Musik machen zu können!“
 

Am Keyboard: Christoph Spengler - Foto © Frank Becker

Uwe Blass
 
Christoph Spengler studierte Kirchenmusik in Düsseldorf. 2007 übernahm er die Leitung des Unichores, 2011 die Leitung des Orchesters. 2016 verlieh ihm das Rektorat die Ehrenmedaille der Bergischen Universität. 2017 wurde er zum Kirchenmusikdirektor durch die Evangelische Kirche im Rheinland ernannt.
 
Redaktionelle Bearbeitung (u.a. Entfernung von Gender-Sternchen) und Fotos: Frank Becker