Goethes Italienische Reise – Eine Hommage an ein Land, das es niemals gab

Ausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

Red.

Josef Anton Koch, Landschaft mit Apollo unter den Hirten, 1837 - Tiroler Landesmuseen, Ältere Kunstgeschichtliche Sammlungen Inv.-Nr. Gem/356 © TLM

Goethes Italienische Reise –
Eine Hommage an ein Land, das es niemals gab
 
Ausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
27. Juni 2020 - 26. Oktober 2020
 
Olivenhaine und saftige Orangen, ewige Sonnenstunden und delikater Wein – die Sehnsucht nach dem sorglosen, heiteren Italien ist größer denn je. Dort, so scheint es, kann man dem tristen Arbeitsalltag entfliehen. So ging es wohl auch Johann Wolfgang von Goethe, als er sich im 18. Jahrhundert von Weimar aus auf eine „Italienische Reise“ begab. Mit seinem Buch, das er vor mehr als 200 Jahren verfaßte, löste er nördlich der Alpen eine Italiensehnsucht aus, die bis heute reicht.
 
Was Goethe in Italien wahrnahm, war jedoch nur das, was er bereits erwartet hatte: Anstatt der trostlosen Situation in dem politisch zersplitterten Land beschrieb er die endlosen Strände und das vielversprechende „dolce far niente“. Wie diese Erwartungen und die herben Erfahrungen in der mediterranen Realität in Konflikt geraten, dem widmet sich ab Mai eine Sonderausstellung im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. „Wir bringen das ‚Land, wo die Zitronen blühn‘ nach Innsbruck und hinterfragen zugleich, wie die künstlerische Darstellung und die italienische Wirklichkeit zueinander stehen“, so Direktor Mag. Dr. Peter Assmann. Gezeigt werden u. a. Goethes eigene Zeichnungen, die die Eindrücke des Dichters unmittelbar darstellen, beeindrucke Werke von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein bis Michael Wutky, imposante Skulpturen wie die 1,75 Meter hohe „Juno Ludovisi“, Grafiken wie jene von Johann Peter Denifle sowie zeitgenössische Fotografien von Barbara Klemm und Gianni Berengo Gardin. Zusätzlich zur Hauptausstellung im Ferdinandeum findet im Juli und August 2020 eine Ausstellung in Kooperation mit dem Museo Alto Garda in Riva del Garda statt.
 
Italien, ein Land heiterer Idylle
 
Wie Goethes Reise zeigt, entstand das idealisierte Italien nicht erst mit dem aktuellen Massentourismus. Schon im 18. Jahrhundert war Italien als ein Ziel der Sehnsucht bekannt. Sogar das paradiesisch dargestellte griechische Arkadien, das in der Übermittlung mit seiner eigentlichen Landschaft im Zentrum der Peloponnes weniger zu tun hatte als mit dem fantastischen Bild von Idylle, Hirten und Nymphen, wurde auf Italien umgewälzt. Der römische Dichter Vergil schrieb den Mythos in seinen Hirtengedichten nieder. Gleichzeitig verortete er diese aber in seiner eigenen Heimat in Oberitalien. Italien wurde zum „Arkadien“, zum Sehnsuchts- und Zufluchtsort der Künstler aus dem Norden. Man meinte, hier das echte Arkadien gefunden zu haben. Eher wurde es aber durch künstlerische Darstellungen wie Gedichte oder Bilder kreiert.
 
 
Johann Wolfgang von Goethe Italienische Landschaft, o. J. - Salzburg Museum Inv.-Nr. 1365-49 © Salzburg Museum 

Auch Goethe berief sich in seinem Motto „Auch ich in Arkadien“, das seine Reise begleitete, selbst auf diese Legende. Er, der allzu viel beschäftigte Minister, entfloh dem Hof in Weimar, um in Italien als Künstler wieder neue Schaffenskraft zu finden. Im September 1786 zog er los und war mehr als eineinhalb Jahre lang bis nach Neapel und Sizilien unterwegs. Verschriftlicht hat er seine Erfahrungen erst 25 Jahre später – in einem Tagebuch, das keine Reisereportage ist, sondern das Erlebte glättet und harmonisiert.
 
Von Weimar in die „heile Welt“
 
Goethes Italienische Reise begann im September 1786 in Goethes Heimatort Weimar. Er selbst wurde sogleich Teil einer Inszenierung, die die gesamte Reise lang anhalten sollte. Zu den wohl bekanntesten dieser Inszenierungen gehört das Gemälde „Goethe in der Campagna“, das in der Ausstellung in jener Version zu sehen ist, die sich jahrzehntelang im Goethe-Haus befunden hat. Von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein geschaffen, wurde es später vielfach kopiert. Sogar Andy Warhol ließ sich davon Jahrhunderte später zu einer Arbeit inspirieren. Allerdings war die Reise nicht nur ein fröhliches Unternehmen, der deutsche Dichter hatte mit zahlreichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Anstatt einen Schnellzug oder Inlandsflug zu buchen mußte er damals auf eine Kutsche zurückgreifen. Die holprige Reise auf schlechten Straßen war mühsam und gefährlich, die Übernachtungs-Möglichkeit zweifelhaft. Nicht zuletzt mußte auch finanziell vorgesorgt werden. Goethe war in dieser Hinsicht in privilegierter Stellung, da er durch seinen Fürsten mit ausreichend Geld versehen war, und damit – im Gegensatz zu anderen Reisenden seiner Zeit – sein eigener Herr sein konnte. Allerdings gab es in den zahlreichen italienischen Fürstentümern keine einheitliche Währung, weshalb die Münzen ständig gewechselt werden mußten. Über diesen Aufwand beklagte sich Goethe ausdrücklich.
 
Antike Architektur als Italiens Highlight
 
Auf unterschiedlichen Reisen machte Goethe drei Mal in Innsbruck Halt: zuerst auf der Italienischen Reise im Jahr 1786, danach 1790 bei zwei weiteren Gelegenheiten, als er seine Fürstin von deren Reise in Venedig abholen mußte. Obwohl der Dichter als Sammler von Mineralien ein großes Interesse an der Geologie des Landes hatte, war die Sehnsucht nach Italien zu groß, um länger in Tirol zu verweilen. In Verona lernte er in der Arena erstmals ein antikes Großbauwerk kennen und war von dem antiken Theater, in dem heute Opern aufgeführt werden, beeindruckt. Seit der Renaissance bilden die größte Attraktion Italiens zweifellos die Überreste der Antike. Um die römischen Kunstwerke auch nördlich der Alpen studieren zu können, wurden damals eigene Korkmodelle und Gipsabgüsse prominenter Skulpturen angefertigt, für deren Handel sich ein reger Markt entwickelt hatte. Goethe erwarb selbst einige dieser Gipsabgüsse. Eine Kopie der „Juno Ludovisi“, die es dem Dichter besonders angetan hatte, wird in der Ausstellung zu sehen sein.
 

Josef Grois, Ansicht Innsbrucks von der Weiherburg Richtung Südwesten, um 1830 - Ältere Kunstgeschichtliche Sammlungen Inv.-Nr. Gem/1036 © TLM

Das prominenteste Kunstwerk der Antike war aber die sogenannte „Laokoon-Gruppe“, die 1506 in Rom gefunden worden war. Sie stellt den Todeskampf Laokoons, einem trojanischen Priester in der griechischen und römischen Mythologie, dar, den er mit seinen Söhnen austrägt. Die Erzählung hinter der Skulptur wurde von Gotthold Ephraim Lessing aufgegriffen, um zu thematisieren, wie unterschiedlich der Inhalt in der Dichtung und in der Bildenden Kunst dargestellt werden kann.
Goethes Reise verlief weiter nach Vicenza, wo er die Bauten Andrea Palladios studierte, die in ihrer engen Anlehnung an die klassische Antike nicht nur den Reisenden faszinierten. Sie dienten auch als Vorlage für zahlreiche Bauten, mit denen die arkadischen Landschaftsparks im Norden ausgestattet wurden.
 
Italien durch die Brille der Kunst
 
Auch als interessierter und unvoreingenommener Beobachter nahm Goethe die Eindrücke dieser Italienischen Reise immer durch die Brille der Kunst wahr. Um den Leserinnen und Lesern seine Eindrücke besser zu vermitteln, bezog er sich immer wieder auf Maler und deren Gemälde, die ihm vergleichbar erschienen. Wichtig waren dabei vor allem niederländische Künstler, die schon im 17. Jahrhundert das Italienbild geprägt hatten. In der Ausstellung ist etwa Michael Wutkys imposantes Gemälde über den Ausbruch des Vesuvs zu sehen, den er so darstellte wie ihn Goethe schilderte. Und das, obwohl zwischen den beiden künstlerischen Arbeiten keine Verbindung besteht.
 

Michael Wutky Der Ausbruch des Vesuvs über den Golf von Neapel gesehen, um 1780 Öl -
Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien Inv.-Nr. GG-742 © Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien

Rom als Zentrum der Welt
 
Wichtigstes Ziel der Reise war Rom, das seit der Antike als das Zentrum der Welt verstanden wurde. Dort wurde Goethe rasch in den Kreis der in Italien lebenden deutschsprachigen Künstler aufgenommen. Werke anderer Vertreter wie Johann Heinrich Wilhelm Tischbein und Philipp Hackert sowie von Angelika Kauffmann werden ebenfalls in der Ausstellung gezeigt. Goethe selbst hatte sich, um keinen öffentlichen Verpflichtungen unterworfen zu sein, ein Pseudonym zugelegt: Er nannte sich „Filippo Möller“.
 
In Rom organisierte Goethe auch ein Konzert, das in der Ausstellung aufgegriffen wird, um sein Verhältnis zur Musik zu streifen. Viele Komponisten nahmen Goethes Gedichte als Vorlage für eigene Werke. Als Beispiel dafür wird in der Ausstellung das Gedicht „An den Mond“, dessen Entstehung mit der Italienreise in Zusammenhang steht, einem Manuskript mit der Vertonung durch Franz Schubert gegenübergestellt.
Die Ausstellung bietet nicht nur die Gelegenheit, Vielfalt und Reichtum der Sammlungen der Tiroler Landesmuseen vor Augen zu führen, sie wird auch von einer Reihe namhafter Museen des In- und Auslandes mit Leihgaben unterstützt und entstand in Zusammenarbeit mit der Klassik Stiftung Weimar.
 
Ausstellung in Kooperation mit dem Museo Alto Garda in Riva del Garda
 
Zusätzlich zur Hauptausstellung im Ferdinandeum findet im Juli und August 2020 eine Ausstellung in Kooperation mit dem Museo Alto Garda in Riva del Garda statt. Goethe erreichte im September 1786 den Gardasee und war sofort von seiner Landschaft fasziniert. Das Ferdinandeum präsentiert Werke aus den eigenen Sammlungen vom Ende des 18. Jahrhunderts bis heute. Die Ausstellung ist auf die Landschaft als künstlerische Gattung fokussiert und erweitert eine vom Museo Alto Garda geführte kritische Auseinandersetzung mit Bildern und Ansichten dieser Region. Goethes Durchreise ist der Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung über das Reisen als Weg zur Selbsterkenntnis und die Landschaft in der Kunst als Teil dieser Suche.
 
Goethes Italienische Reise - Eine Hommage an ein Land, das es niemals gab
27. Juni bis 26. Oktober 2020
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Museumstraße 15  -  A-6020 Innsbruck

T: 0043 (0)512 59489
F: 0043 (0)512 59489-109
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