Wie man sich Dörenhagen nähern soll

von Erwin Grosche

Erwin Grosche - Foto © Frank Becker
Wie man sich Dörenhagen nähern soll
 
Dörenhagen, das Kleinod hinter dem Südring, beherrscht derzeit die Schlagzeilen der Lokalpresse. Endlich ist wenigstens an der B 68 eine Entscheidung gefallen. Die gefürchtete Dörenhagener Todeskreuzung soll durch eine Ampelanlage entschärft werden. Kam es in der Vergangenheit, beim Verlassen des Ortes, wiederholt zu Unfällen, soll dies nun durch eine Ampel geregelt werden. Alles steht still und man muß warten. Eine irre Vorstellung. Wer dabei nach rechts schaut, entdeckt vielleicht zum ersten Mal in seinem Autofahrerleben das unschuldige Dorf. Die Dörenhagener hätten als Lösung einen Kreisverkehr bevorzugt. Dort wurde erst 1913 das elektrische Licht eingeführt, und Ampeln sind noch immer eine ungewohnte Erscheinung. Außerdem, das Fahren in der Runde macht nachdenklich und manche düsen dann sowieso wieder nach Hause. Die B 68, der Hockenheimring vor der Haustür, ist bekannt als Testosteronlieferant. Man schafft die Strecke von Paderborn nach Dörenhagen in zwölf Minuten und ist dadurch acht Minuten eher in Dörenhagen, als man dürfte.
Das Schnellsein macht uns zu Eindringlingen und das Dasein wird zu einem Terminkalender. Man nähert sich nicht der Unschuld der Dörfer, indem man aufs Gaspedal tritt, man kommt nicht zum Rendezvous in einem Jogginganzug. Man meditiert nicht zur Musik von AC/DC und man spielt kein Mikado auf einem Trampolin. Ist das Ausbremsen der Autofahrer durch Starenkästen und Ampelanlagen nicht genau das, was den Autofahrer danach wieder zum Rasen bringt? Wäre eine Schulung zur Entschleunigung nicht der nachhaltigere Weg? Laßt uns das Autofahren als Meditation begreifen. Ich würde in Höhe der ersten Windräder einen Eiswagen aufstellen. Die B 68 als Erholungsmeile. Nasse Tramper im Regen könnten an das Mitgefühl appellieren und volle Pflaumenbäume an unsere Fähigkeit erinnern, daß wir Marmelade einkochen können.


© Gemeinde Borchen/Dörenhagen

Die Fernwehrkapelle der freiwilligen Feuerwehr Dörenhagen könnte zweimal am Tag auf einem Fahrstreifen der B 68 marschieren und Musik machen. Schnell bildete sich dahinter eine Prozession und alle schalteten einen Gang herunter. Plakate könnten an den Rändern mit Gedichten zur Entschleunigung verführen: „Gibt´s nicht nur vom Hörensagen/ Wundervolles Dörenhagen./ Schwören alle, die dann sagen:/ „Kommt besucht mal Dörenhagen// Nach so einer Einladung sieht man die B 68 mit anderen Augen. Der Weg ist das Ziel.


Fenster der Gaststätte Werny
Foto: Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts

Beim Blumenfeld hinter der Brücke könnte man rasten, Blumen pflücken und sie Frau Wilger mitbringen, die in Dörenhagen einen Friseursalon führt, der seit Jahren das Aussehen der Dörenhagener gestaltet und sehr zu ihrem Vorteil verändert. Wer kennt nicht die leckeren Pizzen von Gabriel? Seine Schnitzel sind Kult und haben Ebbinghausen den Rang als Schnitzelparadies abgelaufen. Die kunstvollen Glasfenster von Otto Peters im großen Saal der Gaststätte Werny sollte man sich auch ansehen. Wer an Dörenhagen vorbeirast, verpaßt eines der letzten Reservate, wo man noch Gastfreundschaft und Gottesfurcht erleben kann. Hier gibt es sogar eine Montessorischule. Vergessen wir nicht den sympathisch geführten Dorfladen mit den Bäckereiprodukten von Bäcker Graustück.


© Dorfladen Dörenhagen

Dort kauft man ein, dort will man sein. Wenn man sich der Unschuld der Dörfer nähern will, braucht man keine Ampeln und keine Kreisverkehre mehr, sondern Demut. „Kurze Strecken gehen Vögel auch zu Fuß.“
 
 
© Erwin Grosche 2020

Redaktion: Frank Becker