Das Chamäleon

Jürgen Kasten – „Begraben in Wuppertal“

von Frank Becker

Das Chamäleon
 
Fiebig jagt einen eiskalten Seriemörder
 
Der Hobby-Historiker Kotthausen ist sich sicher: Das legendäre Bernsteinzimmer ist in dem Höhlenlabyrinth unter den Wuppertaler Hardt-Anlagen versteckt. Weil es ihm von Amts wegen nicht erlaubt wird, dort zu suchen, will er heimlich nachts dort eindringen, wobei er hinterrücks angeschossen wird. Widerwillig nimmt Hauptkommissar Fiebig die Ermittlungen zu dem Attentat auf den „Spinner“ auf und sticht in ein Wespennest. In einer der Höhlen finden die Ermittler die Skelette zweier Mädchen, die seit 18 Jahren als vermißt galten. Wollte jemand die Aufklärung der Taten verhindern? Hat Kotthausen, der sich sehr verdächtig macht, selbst die Finger im Spiel? Und welche Zusammenhänge mit dem NS-Gauleiter Koch und dessen möglichen Wuppertaler Verwandten könnten von Bedeutung sein? Überhaupt: Ist die Suche nach dem Bernsteinzimmer vielleicht ein Vorwand? Aber wer hat geschossen?
 
Jürgen Kasten entwirft in seinem sechsten Kriminalroman ohne Scheu vor scheinbaren Klischees – die keine sind, weil das wirkliche Leben sich in genau solchen Klischees abspielt – und vor Stadtplan-Details und historischen Hintergründen (nun ist Wuppertal ja auch ein urbaner Flickenteppich, den man kaum beschreiben kann) eine Menge Spuren, die aus dem engen Tal der Wupper und seiner Frühsommerhitze auch nach Leipzig, Dresden und nach Tschechien führen. Neben dem bewährten sympathischen Personal von Kripo, Staatsanwaltschaft und Presse skizziert er Randfiguren wie die Psychologin Charlotte, über die man gelegentlich gerne mehr erfahren hätte. Es braucht eine Weile, bis die Ermittlungen von Fiebig und seiner patenten Kollegin Elke mit Hilfe von Reporter Lars Lombardi die richtige Richtung aufnehmen und der Verdacht auf eine schreckliche Mordserie an jungen Mädchen immer dichter wird, aber dann bekommt die Sache Zug. Nach und nach entsteht ein Bild - doch der Verdächtige Klaus-Jürgen Koch ist nicht greifbar, ein Chamäleon, seine Spuren verlieren sich immer wieder aufs Neue. Solche Täter, gemeingefährliche Psychopathen, hat der Autor im Laufe seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Mordermittler zur Genüge kennengelernt. Er weiß, wovon der spricht.
 
Nachdem sich ab Seite 186 abzeichnet, spätestens aber ab Seite 205 klar ist, was aus dem „Phantom“ Koch geworden ist, wohin seine Spuren führen, geht es nur noch darum, den aalglatten Serienmörder zu fassen und weiteren Schaden zu verhindern. Mehr wird nicht verraten, nur soviel, daß es höchst dramatische Entwicklungen gibt.
Jürgen Kasten läßt die im Lauf des Buches plakativ und sorgfältig geknüpften privaten Handlungsfäden am Ende offen flattern – keine Happyends, nicht Friede, Freude, Eierkuchen. Das gibt Raum für weitere Entwicklungen und Fälle des eingeführten Personals. Die Justiz bekommt mit wenigen, aber wohlgesetzten Bemerkungen ihrer Ineffektivität wegen ein paar gehörige Watschen, und der milde Richter „Papa Gnädig“ kommt einem irgendwie bekannt vor. Da bedarf es schon der Hilfe von außen, um der Gerechtigkeit nachzuhelfen.
 
Jürgen Kasten – „Begraben in Wuppertal“
© 2020 Gmeiner Verlag,  246 Seiten, Broschur - ISBN-13: 9783839226902
12,- €
Weitere Informationen: www.gmeiner-verlag.de