Zeichen verstehen

Peter Granser fotografiert in den USA: "Signs"

von Robert Sernatini
Deutliche Zeichen


Peter Granser richtet den Blick aufs Offensichtliche


Der deutsche Fotograf Peter Granser, der für viele namhafte Zeitschriften arbeitet, hat nicht zum ersten Mal die USA, diesmal Texas, "God´s own country" bereist. Für sein Projekt "SIGNS" hat er  das Trostlose einer rückwärts gewandten Gesellschaft in den Fokus genommen, die erschreckende Dekadenz des Alltäglichen im Bild festgehalten. Nun hat er nicht etwa Obdachlose, Trinker oder Junkies fotografiert, keine überquellenden Mülltonnen, streunende Hunde oder ausgemergelte Schwarze. Peter Granser zeigt Bilder des stinknormalen Amerika, einer Weltmacht deren Bürger Kleinbürger mit einem sehr begrenzten Horizont sind, deren Bigotterie erschreckt und deren Tristesse beim Betrachten der Bilder unglücklich macht.

Amerika im Krieg

Amerika befindet sich entgegen dem erklärten Willen vieler seiner Bürger im Krieg - nein: in Kriegen.

© 2008 Peter Granser / Hatje Cantz
Im Irak und in Afghanistan sterben täglich junge Amerikaner im Kampf gegen den religiösen Fundamentalismus der Muslime und sind selber Opfer des religiösen Fundamentalismus derer, die sie in den Krieg geschickt haben, glaubt man den entlarvenden Recherche-Ergebnissen des Journalisten Jeremy Scahill, die er in seinem Buch "Blackwater" veröffentlicht hat. In nicht wenigen Gegenden Amerikas, in denen auch Darwins Evolutions-Theorie energisch bekämpft wird, Schwule gehaßt werden und Abtreibung als Verbrechen angesehen wird, sind die sinnlos verheizten jungen Männer
nicht Opfer, sondern Helden - das klingt deutschen Ohren irgendwie vertraut... Daß sie Respekt verdienen, steht außerhalb jeden Zweifels, denn jeder, der seine Haut für sein Vaterland zu Markte trägt, hat Anspruch auf dessen Dank und Anerkennung. Die auch durch höchst mangelhafte Allgemeinbildung begünstigte Haltung und Solidarität der Daheimgebliebenen mit den Soldaten ist also durchaus zu verstehen. Daß man jedoch in der Heimat die Tragik dieser Kriege nicht begreift, ist dramatisch.

Bedrückende Leere

So sehen wir denn auf Peter Gransers großformatigen Fotos viel Leere, in der sich über die Leere

© 2008 Peter Granser / Hatje Cantz
von Plätzen, Straßen und Gegenden mit deutlichen Zeichen der Verwahrlosung dramatisch die innere Leere ausdrückt. Wir sehen riesige Billboards in verwaisten, trostlosen Landschaften, die wie verzweifelt Botschaften transportieren: "Big Bang Theory - You´ve Got To Be Kidding - God" (eines von vielen Produkten der "Billboard Ministry"). Wir sehen einen jungen Mann, der zwar bereit ist, das Kreuz aufzunehmen, doch die wirkliche Last es zu tragen mit einem angeschraubten Rädchen vermeidet. Soviel zum Stichwort Bigotterie. Der Mythos von Alamo blättert ab, der Mythos um John F. Kennedys Tod aber lebt in Kritzelein und Graffitis an einem Bretterzaun in Dallas weiter. Andersons Molkerei sponsort eine Aufforderung der North Temple Baptist Church, sich nicht dem Begehren hinzugeben und allenthalben werden Star Spangled Banners herumgetragen wie hierzulande nur bei Fußballmeisterschaften. Wie verloren und sich offenbar nichts zu sagen habend erwarten zwei junge Frauen in einer leeren Sporthalle rechts und links von einer großen Plakatwand mit der Aufschrift "Welcome Home" vielleicht die Rückkehr ihrer Männer aus dem Krieg.
Eher zufällig mahnt an anderer Stelle ein Parkaus-Hinweis "This is not an exit" und gleich daneben, ganz klein die Einsicht "One Way".    

Demokratie, Apfelsinen und Jazz

"SIGNS" von Peter Granser ist ein politisches Buch. Er ist sicher nicht der erste, der das Augenmerk

© 2008 Peter Granser / Hatje Cantz
auf die gezeigten Problematiken lenkt, in der desillusionierenden Fülle und Komplexität der Zusammenstellung seiner Fotografien ist er jedoch ein Pionier. Nach dem Betrachten der Bilder in "SIGNS" kann man die USA, denen wir Deutschen Freiheit, Demokratie, Apfelsinen und den Jazz zu verdanken haben, nicht mehr mit dem selben Verständnis anschauen. Eines muß de Betrachter lernen: man kann Amerika mit dem europäischen Blick nicht erfassen, seine eigentümliche Philosophie nicht verstehen. Es ist ein sehr fremdes Land, gegründet zwar von Abkömmlingen unserer Väter, doch weiter weg von uns, als wir es überhaupt ahnen können.

Den großformatigen Bildband mit den
auf mich ausgesprochen häßlich und kontraproduktiv wirkenden inszenierten Fingerflecken auf dem Ganzleineneinband gibt es in zwei Versionen:
Peter Granser "Signs" - Texte von Karen Irvine und Barry Vacker - Deutsch/Englisch
© 2008 Hatje Cantz, 132 Seiten, 99 farbige Abb., 2 Klapptafeln, 30,20 x 30,40 cm
Leinen, € 39,80
ISBN 978-3-7757-2157-8

Collector's Edition:
Peter Granser
Big Bang Theory, 2007
 Digitalpigmentdruck auf Hahnemühle Fine Art Pearl Paper in Mappe, mit Buch
Blattformat: 40 x 40 cm, Bildformat: 38 x 38 cm
Auflage: 30 + 5.e.a., Signiert, numeriert - € 580,00
Weitere Informationen unter: www.hatjecantz.de

Ausstellungen:  Kunstverein Ludwigshafen 9.5.–29.6.2008, Kunstverein Ulm 15.3.–3.5.2009