Diebe und Betrüger beherrschen die Welt

Oliver Bullough – „Land des Geldes"

von Johannes Vesper

Moneyland

Diebe und Betrüger beherrschen die Welt
 
Wirecard, Shooting-Star im Land des Geldes, zeigt die Aktualität dieses Buches. Bei diesem Dax-Konzern handelt es sich „um einen umfassenden Betrug, …rund um die Welt“, erklären die Bilanzprüfer, die ihrem Klienten trotz regelmäßiger Prüfung jahrelang nicht auf die Schliche kamen. Wie kann das passieren?
 
Warum beherrschen Diebe und Betrüger die Welt, fragt Oliver Bullough im Untertitel seines Buches „Moneyland“. Es geht ihm um die Superreichen, um die Steuersünder der Ersten und die Kleptokraten der Dritten Welt bzw. in China und Russland. Immerhin galten im Jahr 2016 gezählte  226.450 Menschen auf der Welt in diesem Sinne als reich mit einem Vermögen von mehr als 30 Millionen Dollar, wobei der Anstieg ihres Vermögens pro Jahr mit 27 Billionen Dollar in der Größenordnung des BIP von China und den USA zusammen lag. Keine Kleinigkeit also, und es leuchtet ein, daß die Besitzer dieser Unsummen alles tun, um diese weiter und weiter zu vermehren und um sie dem Zugriff des Staates, der Besteuerung zu entziehen. Die Elite der Juristen und Wirtschaftsberater stellte viele Überlegungen an, damit solch riesige Offshore-Vermögen einerseits physisch besessen, aber andererseits juristisch unangreifbar und unfaßbar versteckt werden können. „Offshore“ stammt aus Großbritannien, wo vor Zeiten Piraten-Radio-Sender auf Schiffen vor der Küste für das englische Publikum, also außerhalb der britischen Gesetzgebung agierten. „Offshore“ wurde bald auf Finanztransaktionen angewendet, wenn in der Londoner City Finanztransaktionen erfolgen aber ohne Anwendung britischer Gesetze. Warum eigentlich fahren so viele Schiffe unter ausländischen, fremden Flaggen? Weil so die Arbeitsschutzgesetze des eigentlichen Heimatlandes umgangen werden. Warum leben die Milliardäre in London? Weil sie als Bürger von Nevis, den Kaiman-Inseln oder sonstiger Schlupflochregionen in London keine oder kaum Steuern zahlen. Offshore-Geldvermögen finden sich in den USA in der Größenordnung von 4% des nationalen Gesamtvermögens, in Europa machen sie ca. 10%, in Afrika 30%, in Russland 52 % und in den arabischen Golfstaaten 57% aus! Nach dem altgriechichischen Gott des Reichtums wird eine Volkswirtschaft, in der Superreiche einen enormen Anteil am nationalen Einkommen und Konsum haben, als Plutonomie bezeichnet. Wie Plutokraten ihr Geld ausgeben, wie sie konsumieren wird in einem eigenen Kapitel dargestellt. Die ukrainische Bevölkerung stürmte nach der Revolution 2014 den Präsidentenpalast als manifestes Symbol unverstellbarer Selbstbereicherung des Gauners, Herrschers bzw. abgesetzten Staatspräsidenten Janukowytsch.
 
Wie kann es denn gelingen, so viel Geld zu scheffeln? Mit Korruption kann Geld geschöpft werden. Im Korruptionswahrnehmungs-Index versucht die NGO Transparency International (TI) das Phänomen zu erfassen und zu quantifizieren. Liegt Korruption dort vor, wo die Bestechung gezahlt oder, wo das Schwarzgeld dann gewaschen wird? Herrscht also in Angola oder in London mehr Korruption? Deutschland steht auf Platz 9 der Weltkorruptionsliste.
Staaten tun viel, um Superreiche anzureichern. In der „Doing Business Rangliste der Unternehmerfreundlichkeit“ listet die Weltbank Länder nach ihrer Unternehmerfreundlichkeit auf, u.a. danach, wie unbürokratisch und einfach, oder besser unkontrolliert eine Unternehmensgründung ablaufen kann. In diesem Zusammenhang erfährt man über Neuseeland, im letzten Bericht das unternehmensfreundlichste Land, wie dort von solchen Firmen das Waffenembargo der UN umgangen werden kann. Über die Schweiz, wie nach der Zerstörung des Steuerparadieses dort vor einigen Jahren der US-Bundesstaat Nevada mit seiner Steuergesetzgebung in die Bresche springt.
 
Und über Nevis, diesen kleinen Hügel in der Karibik mit ca. 11.000 Einwohnern, erfährt der Leser, wie in dem Kleinstaat, 1983 von den Engländern in die staatliche Selbständigkeit entlassen, das Finanzsystem flugs für die Interessen der Reichen und Superreichen umgebaut wurde. Ausländische Gerichtsurteile wurden auf Nevis generell nicht anerkannt und um einen Prozeß auf Nevis zu beginnen, sind erst einmal 100.000 Dollar Kaution fällig. Ausländische Unternehmen können jederzeit nach Nevis kommen oder auch die Insel verlassen, auch wenn die Eigentümer nicht klar sind. Die werden die Aktionäre und deren gesetzliche Vertreter schon kennen. Aktuell gibt es 18.000 Unternehmen im Handelsregister der Insel. Das bringt 3,5 Millionen € an Steuern plus Steuer von Anwälten, Buchhaltern und weiteren Mitarbeitern der Unternehmen. Wer Geld zu verbergen hat bringt es nach Nevis. Natürlich verkaufen weitere Länder Pässe, mit denen man sich dem Justizsystem anderer Staaten entziehen kann.  Noch effizienter für den Selbstschutz sind Diplomatenpässe. Malta, Zypern, Montenegro, Staaten in Südamerika und der Karibik verkaufen sie an diejenigen, die sich das leisten können oder müssen. Boris Becker wollte als Diplomat der Zentralafrikanischen Republik seinem Insolvenzverfahren entgehen. Reiche Chinesen engagieren aus solchen Überlegungen heraus für ihren Nachwuchs gar japanische Leihmütter, deren Kinder bei Geburt das Recht auf die japanische Staatsbürgerschaft erhalten. So kann die chinesische Elite, wenn dieser Begriff hier adäquat erscheint, ihr Vermögen anonym nach Japan verbringen. Familienleben wird eingetauscht gegen Vermögensverwaltung. Daß pluto-kleptokratische Offshore-Vermögen besonders gut in Luxusimmobilien verborgen werden können, sieht man rund um den Eaton-Platz, bzw. in New York unter der Adresse Central Park West 15, „die versponnen teuerste, titanisch mit Milliardären vollgestopfte Immobilie des 21. Jahrhunderts“. Wie Vermögensverwalter die wirtschaftliche Grundlage und Legitimation des modernen Steuerstaats zersetzen, wird hier nicht zum ersten Mal gezeigt. In der SZ wird aber z.B. am 22.07.20 bestätigt, daß sich In London Oligarchen aus Russland tummeln, Fußballclubs kaufen und Immobilienmakler wie Anwälte de-facto als russische Agenten arbeiten (Brexit!).
 
Das ausgiebig recherchierte Material im Buch wird flott und journalistisch unterhaltsam dargeboten. die Quellen kapitelweise angegeben. Der Leser bekommt eine Idee davon, wie gut Moneyland zwischen der Schweiz, London, Manhattan, Kaimaninseln, Jungferninsel, Panama und weiteren Zentren als virtueller Raum funktioniert. Bei dieser Globalisierung geht es nicht um Profitabilität und internationale Arbeitsteilung, sondern um den Schutz von Vermögen. Die Lektüre dieses hervorragenden und verdienstvollen Buches ist nicht nur höchst informativ, sondern geradezu erschütternd - und besonders zu empfehlen.

Oliver Bullough lebte nach dem Studium moderner Geschichte in Oxford als Journalist von 1999-2006 in Russland und schreibt als investigativer Journalist für Reuters, den Guardian und die New York Times.
 
Oliver Bullough – „Land des Geldes. Warum Diebe und Betrüger die Welt beherrschen“
Originaltitel: Moneyland: „Why Thieves & Crooks now rule the World & How to take it back“
Übersetzung: Jürgen Neubauer
© 2020 Verlag Antje Kunstmann, 336 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag - ISBN 978-3-95614-358-8
€ 25,00 (D) / € 25,70 (A)
Weitere Informationen: www.kunstmann.de