Drei Irrtümer
aus meinem Leben
Manchmal passieren Sachen, die gibt’s gar nicht. Ich gehe öfters am Lippesee spazieren und bemerke mit großer Sorge, wie das kleine Paradies zu einem Erholungsgebiet gemacht werden soll. Überall wird gerodet und gefällt und das, was vorher noch wild war, wirkt langweilig und angelegt. Wie erschrocken war ich, als plötzlich an dem Schotterweg, der zum Lippesee führt, Strauch und Busch verschwunden waren. Mein erster Gedanke war sofort, daß hier neue Parkplätze entstehen sollen. Heute sah ich dort zwei Schilder, die darauf hinwiesen, daß auf dieser Fläche Blumen gegen das Insektensterben angepflanzt werden. Da war ich sehr erleichtert, obwohl ich mich schon frage, warum man das, was vorher wild war, dem Erdboden gleich macht, um an der gleichen Stelle etwas Wildes anzulegen, das dann stehen bleiben darf. Ist das nicht so, als wenn man sein Fremdgehen dadurch in den Griff bekommen will, indem man fünf Mal hintereinander heiratet? Mein zweiter Irrtum klärte sich erst nach Tagen auf. In meiner Straße parkt manchmal der Wagen von Bärenputz Müller. Ich werde dann oft nachdenklich und frage mich warum Bärenputz Müller einen Braunbären als Werbefigur für seinen Putzdienst eingesetzt hat. Gilt der Bär als besonders reinlich? Ist Meister Petz jemand, der einen Platz so hinterläßt, wie er ihn vorzufinden wünscht? Einmal kam ich endlich dazu, die eigentlichen Serviceleistungen von Bärenputz Müller, die groß auf dem PKW angepriesen werden, zu studieren: „Malerarbeiten, Außenputzarbeiten und Bodenbelagsarbeiten.“ Verstehen sie? Bärenputz Müller ist gar keine Reinigungsfirma, sondern ein Fachbetrieb für Verputzarbeiten. Er wirbt sogar auf seiner Homepage mit dem Slogan: „Da steppt der Bär. Bodenbeläge aus Profihand.“ Wie beruhigt war ich über meinen Irrtum, auch wenn ich mich jetzt frage, ob der Bär dafür bekannt ist, besonders gewissenhaft sein Nest zu verputzen? Ist der Bär ein häusliches Wesen, das vieles selbst reparieren kann und dabei gerne tanzt? Warum nimmt Bärenputz Müller nicht den australischen Hüttengärtner (Amblyornis inornata) als Werbefigur? Er baut ein sehr schönes Nest und verputzt den Boden mit Moos. „Hüttengärtner Müller“ klingt doch perfekt. Der dritte Irrtum, der mich aufrüttelte, löste sich vor meiner Haustür in Luft auf. Es klingelte und vor mir stand ein kleiner Mann mit Clownsnase. Er sammelte Geld für einen armen Zirkus, der in der Stadtheide sein Zelt aufgeschlagen hatte. Natürlich kenne ich meine Pappenheimer und sagte ihm, daß da ja jeder kommen könnte. Wie erstaunt war ich dann, als der kleine Mann einen Salto machte und den Rechen, der vor meiner Garage stand, ungelogen, auf seinem Kinn balancierte. Er überzeugte mich schließlich mit einer Jonglage, zu der er meine vier Mülleimer rotieren ließ. Natürlich weiß ich wovon Künstler leben und klatschte und klatschte, daß er vor lauter Verbeugen gar nicht mehr an den Grund seines Kommens dachte. Der Applaus ist das Brot des Künstlers und die Hoffnung stirbt zuletzt. Das ist kein Irrtum.
© Erwin Grosche 2020
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