Kunst-Krimi von Rang

Stefan Koldehoff - „Van Gogh - Mythos und Wirklichkeit“

von Frank Becker

Kunst-Krimi von Rang
 
„Vincent van Gogh – Mythos und Wirklichkeit“
 
Der Journalist, Kunstpublizist und van Gogh-Kenner Stefan Koldehoff hat vor 17 Jahren eine spannende Untersuchung zu Leben, Werk und Fälschung Vincent van Goghs vorgelegt. Sein 2003 erschienenes Buch „Van Gogh – Mythos und Wirklichkeit“ setzt sich mit der bisherigen Rezeptionsgeschichte zum Werk des Brabanter Pfarrerssohnes auseinander und beschreitet neue, aufschlußreiche Wege zu einem entmythologisierten Bild des impressionistischen Malers. Wir stellen es Ihnen heute aus gegebenem Anlaß erneut vor.
 
Koldehoff hat sich in jahrelanger intensiver Recherche hervorragende Kenntnisse auf einem Gebiet zu eigen gemacht, das vielfach als restlos ausgeschöpft gegolten hat. Das in sein Buch geflossene Ergebnis dieser Forschung räumt auf nüchterne Art und Weise mit der Legendenbildung um den exzentrischen Maler auf, darunter den sich hartnäckig haltenden Behauptungen, van Gogh habe nur ein einziges Bild verkauft, er sei wahnsinnig geworden, er habe Paul Gauguin mit einem Rasiermesser bedroht, er habe sich selbst ein Ohr vollständig abgeschnitten. Zu dieser wohl am intensivsten kolportierten Legende hat Koldehoff medizinischen Rat eingeholt, der deutlich macht: hätte sich van Gogh ein Ohr völlig vom Kopf abgetrennt, wäre er innerhalb kürzester Zeit daran verblutet, denn der äußere Teil des menschlichen Ohres wird durch sieben Arterien versorgt. Als Story filmreif, als Fakt nicht zu halten.
 
Aber auch, daß van Gogh erfolglos bei Frauen gewesen sei, keine Schüler gehabt habe und sich schließlich aus Liebeskummer mit einem Revolver tödliche Verletzungen zugefügt habe, kann Koldehoff glaubhaft in Zweifel ziehen. Breiten Raum gibt der Kunsthistoriker Koldehoff, früher stellvertretender Chefredakteur des renommierten Kunstmagazins ART und heute Kulturredakteur beim Kölner Deutschlandfunk, der Flut von Fälschungen, die den Kunstmarkt nach van Goghs Tod und posthumer Berühmtheit überschwemmten. Die sogenannten „Wacker-Fälschungen“ und der damalige Berliner Sensationsprozess im Jahre 1932 wären allein schon Stoff genug für ein eigenes Buch. Auch hier bringt der Autor Licht in bislang unausgeleuchtete Winkel der van Gogh-Forschung.
 
Ein neues Rätsel allerdings beschäftigt den Leser seit Erscheinen des Buches und drängt nach Lösung: was den Verlag wohl bewegt haben mag, ein Foto des Filmschauspielers Kirk Douglas in der Rolle van Goghs als Umschlagillustration zu verwenden.
 
Stefan Koldehoff  - „Van Gogh - Mythos und Wirklichkeit“
© 2003 DuMont Literatur und Kunstverlag Köln, 303 Seiten, gebunden, mit vielen s/w und farbigen Illustrationen und Anmerkungen,
34,90 €.

Weitere Informationen unter: www.dumontliteraturundkunst.de