Vergessene musikalische Schätze
Spätromantische Perlen für Violoncello und Klavier
Mit 17 Jahren bereits Solocellistin an der Stettiner Oper, studierte die polnische Cellistin Joanna Sachryn noch bei Gerhard Mantel und Wilhelm Pleeth, später Repertoire auch bei Mstislav Rostropowitsch. Sie spielte mit den Münchener Philharmonikern, dem WDR-Sinfonieorchester Köln, liebt die Kammermusik, ist beim Rheingau- und dem Schleswig-Holstein Musik-Festival.zu hören, und unterrichtet seit neuestem an der Akademie für Musik in Berlin. Zusammen mit dem erfahrenen und souveränen Pianisten Paul Rivinius grub sie aus und entdeckte vergessene musikalische Schätze der Romantik für Cello und Klavier. Daß sich im „inhumanen 19. Jahrhundert par excellence mit ihrer ... durch Anbetung des Geldes verdummten Menschheit“ (Egon Friedell) noch trotz jahrzehntelangem Konservenbooms von Vinyl, CD und DVD solch herrlich romantische Kammermusik fand, erstaunt und erfreut. Beide Komponisten wurden in Frankfurt/Main geboren.
Ferdinand Hiller (1811-1885), spielte in der Musikwelt des 19. Jahrhunderts in Deutschland eine große Rolle, lebte sieben Jahre in Paris, wo er mit Liszt, Berlioz, Rossini, Chopin und anderen verkehrte, dirigierte in Mailand und führte in Dresden die Abonnementskonzerte ein, vertrat Mendelssohn beim Gewandthausorchester, wurde 1847 nach Düsseldorf und 1850 als Generalmusikdirektor nach Köln berufen. Seine feuilletonistischen Beiträge für die Presse waren bekannt und geschätzt. Als Komponist unterrichtete er u.a. Max Bruch und Engelbert Humperdinck, lehnte sich selbst mit seinen Werken teilweise deutlich an seine Freunde Schumann und Mendelsohn an. Er komponierte an die 200 Werke inklusive 6 Opern, vier Sinfonien, drei Klavierkonzerte, Oratorien, Kunstlieder sowie die jetzt entdeckte Sonate Nr. 2 (A-moll op. 172) und die Serenade Nr. 1 op. 109 für Violoncello und Klavier. Hier schwelgt die Cellistin auf ihrem wunderbaren Cello mit sonorem, seelenvollen oder auch feinem Ton im Pianissimo zu kongenial subtil romantischem, stellenweise virtuosem Klavier von Paul Rivinius. Die gefällige Sonate kann im Hinblick auf Gehalt und musikalische Substanz mit den Brahmsschen nicht mithalten - bei der Serenade handelt es sich um elegante Salonmusik. Das zeigt aber, daß die Musikgeschichte auch in der zweiten Reihe doch sehr gute Komponisten kennt.
Anton Urspruch (1850-1907), der Liszt-Schüler unterrichtete, hochgeschätzt in der Musikwelt der Spätromantik, später zusammen mit Clara Schumann, am Hoch´schen Konservatorium in Frankfurt/Main. Ihr hat er diese Sonate auch gewidmet. Seine Werke wurden zu Lebzeiten in den großen Musikstädten Deutschlands mit großer Resonanz sehr erfolgreich aufgeführt, bevor sie nach seinem Tode gründlich vergessen wurden. In den letzten 30 Jahren interessiert man sich übrigens wieder mehr für den Komponisten Urspruch. Zum 100. Todesjahr 2007 fanden Konzert in Frankfurt, Freiburg, Münster, Duisburg, Gütersloh und Saarbrücken statt und inzwischen ist sein gesamtes Klavierwerk auf CD eingespielt. Im berühmten Riemann´schen Musiklexikon von 1961 oder auch im Reclam Kammermusikführer gibt es hingegen keine Einträge über ihn. Seine Cellosonate op.29, in deren anspruchsvollem Klaviersatz sich das Erbe seines Lehrers Franz Liszt manifestiert, beginnt mit einem eher elegischen Andante, an das sich ein flotter scherzoartiger Mittelelsatz anschließt. Im dritten Satz wechselt ein trauriges Adagio molto lento zum Allegretto und zurück. Das Ganze endet mit einer flinken bravourösen Coda. Die spätromantische musikalische Entwicklung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Wagner, Bruckner, Max Reger bis hin zu Mahler, ging an Urspruch weitgehend vorüber. Vom „Revoluzzertum“ der Neudeutschen hielt er wenig, sodaß seine Werke kaum mehr in damalige Moderne paßten, in ihrer melodiösen, lyrischen, flotten und geschwinden Konventionalität den Genießer auch heute erfreuen. Im Hinblick auf Interpretation, Darstellung und Klangqualität bleiben bei diesem erfahrenen Ensemble keine Wünsche offen.
Joanna Sachryn & Paul Rivinius – „Hiller & Urspruch: Forgotten Treasures“
Werke für Violoncello und Klavier von Ferdinand Hiller und Anton Urspruch
© 2020 Kaleidos Musikeditionen (1 CD)
Joanna Sachryn (Cello) - Paul Rivinius (Klavier)
Ferdinand Hiller (1811–1885): Sonate Nr. 2 für Klavier und Violoncello D-Dur op. 172
I. Allegro appassionato
II. Andante con moto
III. Allegro con spirito
IV. Allegro affetuoso ma vivace
Ferdinand Hiller (1811–1885): Serenade Nr. 1 für Klavier und Violoncello op. 109
Nr. 1 Allegretto, quasi Andante
Nr. 2 Menuet
Nr. 3 Capriccietto
Anton Urspruch (1850–1907): Sonate für Klavier und Violoncello D-Dur op. 29
I. Moderato molto
II. Allegro molto
III. Adagio molto lento – Allegretto tranquillo
Gesamtzeit: 1:12:52
Weitere Informationen: www.musikeditionen.de
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