A very stable Genius…

John Bolton – „Der Raum, in dem alles geschah“

von Frank Becker

A very stable Genius…
 
Donald Trump, Amerika und die Welt
 
Soviel steht fest: Der in der Politik unter zwei früheren republikanischen Präsidenten erfahrene John Bolton muß vom ersten Tag seiner Bewerbung für ein Regierungsamt unter Donald Trump und noch konsequenter vom Einstieg in die Regierung Trump an akribisch Tagebuch geführt haben. Denn die 656 Seiten seiner Abrechnung mit dem vielleicht gefährlichsten und vermutlich auch verschlagendsten, skrupellosesten und narzißtischsten amerikanischen Präsidenten aller Zeiten in seinem Buch „Der Raum, in dem alles geschah“ sind mit Sicherheit nur ein Auszug seiner Aufzeichnungen. Dieser Auszug aber - ich unterstelle, daß Bolton die bösesten Vorkommnisse aus bestimmten Gründen nicht einmal erwähnt hat - ist Sprengstoff unter dem Sockel von Trumps erhoffter Wiederwahl.
 
John Bolton, nationalistisch-konservativer Journalist und selbst kein Chorknabe, diente bis zu seinem Rauswurf am 10.9.2019 (er behauptet, er habe bereits am Tag zu vor gekündigt) 519 Tage als Sicherheitsberater unter Präsident Donald Trump, zumeist im Oval Office, „dem Raum, in dem alles geschah“. Mit beinahe täglichen Treffen zählte er zu den engsten Vertrauten des US-Präsidenten. Was er da sah und erlebte, bestätigt das Bild, das die Welt quasi vom ersten Tag seiner Präsidentschaft an hat. Donald Trump geht es weder um das Wohl des Staates, den er vorgeblich wieder groß machen will, noch um die Menschen, die in diesem Staat leben. Es geht diesem völlig inkompetenten, überheblichen, keine Bücher oder Zeitungen lesenden, im Grunde ungebildeten Mann, der wie vermutlich viele seiner Wähler kaum etwas über die Welt außerhalb der USA weiß, nur um Macht, um die eitle Selbstinszenierung und darum, mit allen Mitteln wiedergewählt zu werden, und sei es die Verhinderung der Briefwahl, von der er sich fürchten muß, wie wir jetzt wissen. Nichtsdestoweniger hält sich der blond gefönte und sonnenbankgebräunte Mann mit den zu langen Schlipsen für die Krone der Schöpfung und für einen der intelligentesten Menschen auf Erden, gipfelnd in der Aussage: „I am a stable genius“. Es schaudert einen.

John Bolton ist Augen- und Ohrenzeuge der katastrophalen personellen und politischen Entscheidungen dieses Mannes, des administrativen Chaos, das er mit Ernennungen, Entlassungen und scheinbar wahllosen Neubesetzungen wichtiger Ämter und Kabinettsposten (bis heute) anrichtet. Es hat wohl vor Trump noch keine amerikanische Regierung mit so vielen ununterbrochenen Rausschmissen und Verleumdungen früherer „Freunde“ und loyaler Mitarbeiter gegeben, keine Präsidenten der jeden Kritiker als Lügner bezeichnet, selbst aber  ununterbrochen lügt und seine Mitarbeiter ebenso zum Lügen und zu ungesetzlichen Handlungen auffordert. Trumps minütlichen Meinungsänderungen nicht nur im Oval Office, sondern oft auch in Abwesenheit von Beratern und gegen deren Rat, die er ständig über den Messenger-Dienst Twitter in alle Welt posaunt, treiben seinen Stab, seine Minister zur Verzweiflung.
 
Sei es die völlig aus dem Ruder gelaufene kreuzdumme Nordkorea-Politik gegenüber dem eiskalten Diktator Kim Jong-un („We fell in love with each other“), sei es die Unterschätzung Putins und seiner brutalen Expansionspolitik (Ukraine, Syrien), die Fehleinschätzungen der brisanten Situationen in Venezuela, Aghanistan, im gesamten Nahen Osten – Bolton hat alles aufgezeichnet. Er berichtet mit Detailwissen, Insiderinformationen und Twitter-Auszügen aus erster Hand über die Machenschaften des mächtigsten Mannes der Welt, über dessen Verfehlungen, rechtswidrige Aussagen und Handlungen, das gesetzwidrige Einwirken auf die Justiz und das FBI und über Trumps Verwicklung in von ihm geforderte unzulässige Ermittlungen des Justizministeriums. Trump ist sich nicht zu schade für ekelhafte Schmutzkampagnen gegen politische Gegner, bietet Diktatoren seine persönlichen Dienste an, lobt chinesische Internierungslager und überlegt laut, mehr als zwei Wahlperioden zu regieren und er weigert sich, obwohl dazu verpflichtet, seine Steuererklärung vor dem amerikanischen Volk und der Justiz offenzulegen. Er zettelt Handelskriege an, erpreßt befreundete Staaten, weiß nicht, daß Großbritannien über Atomwaffen verfügt und daß Finnland nicht zu Rußland gehört. Ja, er überlegt sogar, aus der NATO auszusteigen und in Venezuela einzumarschieren, schreibt Bolton.
 
Man kann den USA und der Welt nur wünschen, daß Amerika nicht so dumm ist, diesen fürchterlichen Mann noch einmal in das höchste Amt zu wählen.

John Bolton – „Der Raum, in dem alles geschah“
Aufzeichnungen des ehemaligen Sicherheitsberaters im Weißen Haus
Deutsche Erstausgabe, aus dem Amerikanischen übersetzt von Shaya Zarrin, Patrick Baumgärtel, Johannes Oehme und weiteren.
© 2020 Verlag Das Neue Berlin, 656 Seiten, 15 x 22 cm, gebunden, Lesebändchen, Anmerkungsapparat, Namensindex - ISBN 978-3-360-01371-2 (Buch)
28,- €
eBook ISBN 978-3-360-50176-9 - 18,– €