Hier schrieben Trakl, Rilke, Wittgenstein
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften hat die digitale Edition der Tiroler Kunst- und Kulturzeitschrift „Der Brenner“ vollständig überarbeitet und mit neuen Funktionen, wie einer verbesserten Volltextsuche, ausgestattet. Alle Ausgaben der für das literarische Schaffen in Österreich bedeutsamen Schriftreihe, die von 1910 bis 1954 erschien, sind nun online als Open Access zugänglich.
Am 1. Juni 1910 erschien in Innsbruck die erste Ausgabe der Zeitschrift „Der Brenner“. Das „Geleitwort“ des Herausgebers und Finanziers Ludwig von Ficker (1880-1967) überraschte durch seinen bescheidenen Tonfall. Vielleicht sei der Beginn dieser Zeitschrift ein „Fehlbeginnen“, gesteht dieser gleich im ersten Satz ein. Die Aussicht auf Bestand erscheine gering, gemessen an den vorhandenen Mitteln und dem „Zusammentun von nur Wenigen“. Keine Kompromisse hingegen wolle man bei den inhaltlichen Zielen eingehen. Man bemühe sich „Kultur, Kunst, Dichtung lebendig und fruchtbar“ zu erhalten. Es gehe um nichts Geringeres als ein „Unterbringen von Menschentum“.
Vorbild „Die Fackel“ von Karl Kraus
Gemessen an seinem zaghaften Beginn hielt sich „Der Brenner“, der nach dem Vorbild der „Fackel“ von Karl Kraus entstanden ist, erstaunlich lange: Als mitteleuropäisches Ideenforum überdauerte er beide Weltkriege. 1954 erschien die letzte Ausgabe. „Es handelt sich beim 'Brenner' um eine singuläre Publikation“, bestätigt die Germanistin Konstanze Fliedl, die an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) maßgeblich daran beteiligt war, daß nun eine neu überarbeitete, benutzerfreundlichere Version der Gesamtausgabe online ist: „Für eine katholische Zeitschrift pflegte man einen sehr liberalen Duktus. Der Herausgeber Ludwig von Ficker ließ sich nie politisch vereinnahmen. Seine Werte in Sachen Friedfertigkeit und Menschlichkeit spiegelten sich in der Publikation.“
Von Trakl über Lasker-Schüler und Loos bis Wittgenstein
Besonders in den Anfangsjahren etablierte sich „Der Brenner“ als expressionistische Zeitschrift, die vor allem von Fickers Entdeckung Georg Trakl geprägt war. Aber auch Else Lasker-Schüler, Rainer Maria Rilke, Ludwig Wittgenstein und Hermann Broch veröffentlichten Texte. „Der Brenner“ war stets offen für unterschiedliche ästhetische und inhaltliche Richtungen, man dachte europäisch. So veröffentlichte der Wiener Architekt Adolf Loos 1913 seine Regeln, wie man in den Bergen bauen soll. August Strindberg schrieb in Heft 2 „Ueber die Materie als lebendes Wesen“, in Heft 12 war ein Gedicht des indischen Literatur-Nobelpreisträgers Rabindranath Tagore zu lesen.
Bereits 2007 publizierte die ÖAW in Kooperation mit dem Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck eine erste Online-Edition, damals noch mit Registrierungspflicht. Nun wurde die Ausgabe am Austrian Centre für Digital Humanities and Cultural Heritage der ÖAW vollständig überarbeitet. Die Neuauflage ermöglicht eine deutlich schnellere Bedienung und zeigt eine neu entwickelte Suchfunktionalität. Die Volltextsuche wurde beschleunigt und um die Möglichkeit einer linguistischen Suche erweitert. Und: Diese Edition ist nunmehr auch open access unter https://brenner.oeaw.ac.at/ zugänglich.
Österreichische Akademie der Wissenschaften
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