Heimkehr
Ein warmer Regen fiel. Eine angenehme Luft. Unter dem Regenschirm mit dem Emblem des Hotels umwanderten wir das Kröpeliner Tor, den westlichen Zugang zum alten Rostock. Frühen Reichtum atmete das Tor, angehäuft von deutschen Kaufleuten, die sich hier schon um 1200 niedergelassen hätten, so das informative Radtourenbuch aus dem Esterbauer Verlag. Natürlich kamen die Kaufleute nicht in ein menschenleeres Gebiet. Eine slawische Burg befand sich bereits dort. Roztok, „Flußverbreiterung“, nannten die Slawen den Platz. Was geschah mit den Slawen? Wurden sie vertrieben? Oder haben sie sich den Deutschen angepaßt? Kein Wort dazu im Tourenbuch. Wen interessiert das heute auch? Historiker sagen, wie ich später bei Wikipedia las, die slawische Besiedlung des Landes an der Ostsee sei erst um das Jahr 600 erfolgt. Vorher hätten hier germanische Stämme gelebt. Also hat alles seine Ordnung. Die Deutschen sind nur zurückgekehrt in ihr angestammtes Land. „Die Slawen wurden nicht ausgerottet, sondern durch ihre Verschmelzung mit den deutschen Kolonisten entstand eine germanisch-slawische Mischrasse mit deutscher Kultur“, schrieb der Historiker Paul Rohrbach in seiner „Geschichte der Menschheit“ 1929. Ganz so harmlos wird das nicht zugegangen sein. Das Motiv der Heimkehr hat auch sonst wo viel Unheil angerichtet, vielleicht noch immer nicht genug, um daraus zu lernen, dachte ich, als wir die als Fußgängerzone hergerichtete Kröpeliner Straße hinuntergingen, tiefer in die Altstadt hinein.
Aus: Wolf Christian von Wedel Parlow, Durch altes Slawenland.
Eine Radreise von Rostock nach Berlin, S. 5 f.
Illustration mit freundlicher Erlaubnis des Verlags Bild und Heimat
|