Die ganze Fülle eines Lebens in Bilddokumenten

Gerhard Klußmeier/Hainer Plaul – „Karl May und seine Zeit“

von Frank Becker

Karl May und seine Zeit

Die ganze Fülle eines Lebens
in Bilddokumenten

Man darf annehmen, daß kaum eines deutschen Verfassers Leben und Werk, seine Herkunft und sein Schicksal, sowie seine nähere und weitere Umgebung umfassender mit Bilddokumenten belegt sind, als es bei dem Volksschriftsteller Karl May der Fall ist. Seine schon zu Lebzeiten ungeheure Popularität, seine Beliebtheit bei jugendlichen wie erwachsenen Lesern und nicht zuletzt sein eigenes äußerst wechselvolles Leben machen den Autor phantsievoller Abenteuer- und Reiseerzählungen auch als Person der Literatur- und Zeitgeschichte interessant.

Schon früh war - aus wirtschaftlichen Gründen, wie auch um einer negativen Tendenz der Würdigung des nicht unumstrittenen Autors entgegenzuwirken - eine Stiftung gegründet worden, welche durch die deutsche Teilung nach 1945 eine fortgeführte gemeinsame „deutsch-deutsche“ Dokumentation verhinderte. So wie im Dritten Reich wurde auch zur Zeit des „real existierenden Sozialismus“ die Herausgabe der Werke Karl Mays bis auf wenige Ausnahmen von staatlicher Zensur verhindert. Einem Meinungsumschwung 1982 in der DDR, der die Romane Mays zum Druck auch dort freigab, folgte nur wenige Jahre später die deutsche Wiedervereinigung, in deren Fahrwasser sich auch die seit 1960 getrennten beiden Karl May-Verlage sowie die literaturgeschichtlichen und die ethnographischen Sammlungen in Radebeul und Bamberg zusammenfanden. Heute beherbergt die „Villa Shatterhand“ in Radebeul neben dem Geburtshaus Mays in Hohenstein-Ernstthal wieder eine umfassende Sammlung zum Leben und Werk des bekanntesten deutschen Jugendschriftstellers.

Gerhard Klußmeier und Hainer Plaul, die schon 1978 eine „grenzüberschreitende“ Bildbiographie zusammengestellt hatten, konnten nun uneingeschränkt auf die Archive beider vereinigten Häuser zugreifen und eine völlig überarbeitete, wesentlich ergänzte und umfassend zu nennende Dokumentation erarbeiten. Zwei Jahre Arbeit haben die beiden hineingesteckt - das Ergebnis kann sich sehen lassen. Viele Bilddokumente dieser - wo es möglich war farbig, ansonsten in Duoton illustrierten - Chronik können jetzt zum ersten Mal gezeigt werden. Die Fülle des ausgewählten Materials (mehr als 1.500 Abbildungen auf Kunstdruckpapier!) ist beindruckend, die Qualität des gesamten im Lexikon-Format 22 x 30 cm aufgelegten Buches hervorragend. Wir finden, nach Lebensabschnitten in Kapitel gefaßt, Personaldokumente, Zeitungsausschnitte, Handschriften, Abbildungen von Buchtiteln, Illustrationen, Zeitschriften und Broschüren, Portrait-Fotografien aus Karl May gesamtem gesellschaftlichem Umfeld, Einblicke in die Villa Shatterhand und Reisedokumente des Erzählers. Wenn der Verlag dieses Buch einen „opulenten Prachtband“ nennt, kann man dem vorbehaltlos zur zustimmen. Wer sich in diese Bildgeschichte des Abenteuer- und Kolportageromans, der Verlagsgeschichte Fehsenfelds und anderer Verlage, die Karl Mays Werk verbreitet haben, des vor gut 100 Jahren wahrgenommenen Bildes der Welt und eben nicht zuletzt in die einzigartige Bildbiographie Karl Mays vertieft, kommt so schnell aus dem Schmökern nicht heraus.

Alle Abbildungen sind von griffigen Erläuterungen und Kommentaren begleitet, nichts bleibt unerklärt. Diese uneresetzliche Fundgrube der Unterhaltung und des Wissens muß nicht nur jedem Freund der Bücher Karl Mays, sondern auch jedem zeitgeschichtlich interessierten Leser ans Herz gelegt werden. Es ist zum Verständnis der Werke Karl Mays (1842-1912) unerläßlich, über die Position des deutschen Kaiserreichs in der Zeit seines Schaffens informiert zu sein. Er hat die Siege in den Kriegen gegen Dänemark 1864 und gegen Frankreich 1870/71 miterlebt, die Kolonialisierung der Welt unter Beteiligung der Deutschen, aber nicht den Niedergang der Großmacht Deutschland im 1. Weltkrieg. Entsprechend stellt sich auch das Weltbild dar, das aus seinen Romanen spricht und das sich auch in den gezeigten Dokumenten spiegelt. „Karl May und seine Zeit“ ist ein Genuß für den Benutzer, ein in jeder Hinsicht verdienstvolles Werk, das die Auszeichnung des „Musenkusses“ für sich beanspruchen kann - und ihn mit Überzeugung erhält.
 
Gerhard Klußmeier/Hainer Plaul – „Karl May und seine Zeit“
Bilder Dokumente, Texte - Eine Bildbiogaphie  
© 2007 Karl May-Verlag Bamberg • Radebeul, 592 Seiten, 22 x 30 cm, mit über 1.500 größtenteils farbigen Abbildungen – ISBN: 978-3-7802-0181-2
Ursprünglich 98,- € / z.Zt. nur 49,- € (Jubiläumspreis)

Weitere Informationen unter:  www.karl-may.de
Lesetips:
Karl Mays Autobiographie „Ich“
Die Karl May Biographie und die fünfbändige Chronik