Dat dat dat darf…

Beethoven in Fakten und mit Humor (2)

von Konrad Beikircher
 
Konrad Beikircher - Foto © Frank Becker
Dat dat dat darf…
 
Beethoven in Fakten
und mit Humor (2)

Von Konrad Beikircher
 
 
„Beethoven war so taub, daß er sein Leben lang dachte, er malt“
(anonymer englischer Musiker, 19. Jahrhundert)
 
Wahrscheinlich ist er am 16. Dezember 1770 geboren, das war ein Sonntag. Weil man damals bei jeder Geburt befürchtete, ein Neugeborenes könnte schnell sterben, hat man es so flott wie möglich getauft, damit es zumindest in den Himmel kommt. Ich meine: so ein Leben im Himmel mit Flügelchen auf den Schultern und dann ein bißchen über den Bilderrahmen auf die Erde gucken ist ja für so ein Baby auch nicht verkehrt, oder? Wissen wir ja von Raffael. Jedes vierte Baby ca. starb im ersten Lebensjahr, jedes zweite Kind erreichte das 14. Lebensjahr nicht.
Papa van Beethoven hatte obendrein guten Grund zur eiligen Taufe: Ludwigs älteres Brüderchen Ludwig Maria ist ein Jahr vorher grad mal sechs Tage alt geworden und die drei Nachzügler, Anna Maria Franziska, Franz Georg und Maria Margarete Josepha, hat es auch zwischen 1779 und 1787 im zartesten Kindesalter dahingerafft. Na gut, neben der allgemein hohen Kindersterblichkeit kamen da vielleicht die Alk-Gene vom Johann, dem Papa, dazu, und die von der Oma väterlicherseits, das kann ja heute noch passieren und da nutzt die ganze Kindbetthygiene nix.

Am Montag, 17. Dezember ist er getauft worden und das war wahrscheinlich der erste Tag nach der Geburt. Die Hebammen konnten damals noch nicht schreiben, sonst hätten wir da sicher eine genauere Notiz über den Zeitpunkt der Geburt Beethovens. Die Taufe war – aber da muß ich Ihnen eine kleine Geschichte erzählen: Kurt Masur, der große Dirigent, war zu Besuch in einem nicht genannt werden sollenden guten, nein besten Hotel in Bonn im Jahr 2008 und fragte an der Rezeption, wo denn Beethoven getauft wurde, er wolle da hin gehen und sich das Taufbecken ansehen. Die Dame bat um ein paar Augenblicke Geduld, sie wolle im Beethovenhaus nachfragen. Kurz darauf sagte sie ihm: „Beethoven ist in der Kreuzkirche getauft worden“. Dazu sollte man wissen, daß die Kreuzkirche eine evangelische Kirche ist und daß sie von 1866 bis 1871 gebaut wurde; und da Beethoven ja 1870 geboren wurde - oder wie war das - ist ja alles im grünen Bereich, oder?!
Also: die alte Remigiuskirche stand am heutigen Blumenmarkt und war damals natürlich unbeheizt. Jetzt müssen Sie sich vorstellen, Johann van Beethoven, der frisch gebackene Papa, hat am Sonntag abends mit seinen Freunden (alles Musiker, und wie die zuschlagen können, ist ja hinlänglich bekannt) die Geburt begossen, jetzt, am Montag morgens, hat er dem Pfarrer Bescheid er hätte da was zum Taufen und ist mit dem Kleinen rüber in die Kirche, das waren damals noch mal 2 Minuten zu Fuß. Er hat die beiden Taufpaten mitgenommen, das waren Ludwig van Beethoven, der Opa, und die Frau des Nachbarn, Gertrud Müller, genannt Baums Jechtrud, wir sind im Rheinland! 17.Dezember! Eiskalt, das Taufbecken zugefroren, der Pfarrer muß erstmal mit dem Eispickelchen etwas Eis crushen, damit man überhaupt taufen kann und da steht nun der Papa und hält den kleinen Ludwig in den Armen: Er macht dem Baby den Oberkörper frei, Ludwig läuft vor Kälte sofort blau an, dann hält er den Kleinen übers Eis (ein Bild für die Götter: kleines Köpfchen und drumherum die berühmte Beethoven-Mähne, phantastisch!) und setzt ihn in den ersten Pampers seines Lebens auf das Eis. Der Pfarrer holt das Taufschäufelchen (sowas gabs damals, denn: es war ja keine Kirche geheizt, da hat man daß den ganzen Winter über gebraucht und es hat natürlich auch einen Namen: trulla lavacri, im 20. Jahrhundert dann zu einem abwertenden Spitznamen für ein bißchen umständliche, schwerfällige Frauen degeneriert: Du Trulla!), schüttet von dem Crush-Eis ein Schäufelchen voll über das Baby, im Kälteschock kräht der Kleine vor sich hin: „A’...a’...a’...aaaaaaaaah“, woran er sich Jahrzehnte später wieder erinnert, als er im Februar 1804 die ersten Skizzen zu seiner 5. Sinfonie niederschrieb. Ihm fehlte noch die zündende Idee, so sehr er sich auch bemühte, es fiel ihm einfach nichts ein. 1804 war ein schweinekalter Winter, Beethoven lebte auf der Mölkerbastei Nr 8 im „Pasqualatischen Haus“ im 4. Stock, brachte im Unterhemd gerade das Leergut runter bevor er weitermacht, so nach dem Motto: ein bißchen Kälte erfrischt und pustet das Hirn durch, fluchte über die erbärmliche Kälte und da fiel ihm seine Taufe ein und sein vor Kälte stotterndes Schreien. Fertig war das Hauptmotiv der 5. Sinfonie. Heute wissen wir, daß solche Traumata wie: bei der Taufe mit nacktem Oberkörper auf Eis liegen, einen ein Leben lang begleiten können.

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 © 2020 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker