Gegenstände in der Landschaft

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Gegenstände in der Landschaft
 
Es ist erstaunlich, wie sich manche Gegenstände in die Landschaft einfügen, während andere für immer Fremdkörper bleiben. Wurden am Anfang ihres Auftauchens Autos als unangenehm empfunden und mit Steinen beschmissen, hat sich das bis heute nicht geändert. Wie könnten unsere Städte sein, wenn dort keine Autos fahren würden. Stellen sie sich den kleinen Domplatz ohne Autos vor. Wie lange es wohl dauern wird, bis wir dort unter der alten Linde feiern dürfen, um unsere Gemeinsamkeiten zu pflegen und unsere Unterschiedlichkeiten zu entdecken. Es gibt aber auch Beispiele, wo eine interessante Form, ein lustiger Name und eine sinnvolle Nutzung gleich einem Gegenstand eine große Akzeptanz eingebracht hat. Fiel früher noch ein TOI TOI oder ein DIXI-Klo auf und störte den Einklang von Park und Stadtkultur, überwog schnell der Niedlichkeitsfaktor und verhalf den Sanitärsystemen zu einem heiteren Image. Heute freut man sich, wenn ein DIXI-Klo in der Landschaft auftaucht und läßt sich davor fotografieren. Stand vor kurzem noch ein TOI-TOI-Klo im kleinen Kilianspark und fügte sich selbstverständlich ein zwischen Stromkästen und Kirche, bedauerte man später sein Verschwinden, und Kinder malten kleine Pinkelzellen auf den Gehweg.

Wie ungewohnt dagegen noch immer uns ein E-Scooter anmutet. Ließ TIER Mobility am Freitag, dem 13. Dezember (war dieser Tag bewußt gewählt?) 160 dieser Elektro-Roller in Paderborn auftauchen, stehen sie ein Jahr später noch immer in der Ostwestfalenmetropole. Mal liegen sie auf dem Bürgersteig, mal lehnen sie an schiefen Laternen oder versperren einfach den Weg. Irgendwie stimmt so ein Anblick traurig. Die Nutzer dieser Riesenroller sehen immer so aus, als kämen sie aus Legoland und wollten ihre Kindheit nachholen. Geradezu abenteuerlich wirken auf mich die neuen Bänke und Liegemöbel, die die Stadt um die PaderHalle herum aufstellen ließ. Es sind die ersten Niederlassungen, auf denen man sich nicht setzen kann, aber auch nicht setzen will. Wer darauf liegen muß, kann nur ein Fakir sein. Ich las jetzt von einem Bankraub am Lippesee. Dreiste Diebe montierten die unbequeme Liegemöglichkeit ab und nahmen sie mit. Diese Ruhestätte gönn` ich denen. Meine Lieblingsbank ist aber nach wie vor die Parkbank aus Drahtgitter, die gegenüber dem Kentucky Fried Chicken, an der Kreuzung Borchener Straße, auf die Gehvölkerung wartet. Wer setzt sich denn in diesem Tohuwabohu hin, um sich am Stop-and-go des Paderborner Straßenverkehrs zu erfreuen? Ist das eine Bank, auf der sich die Stadtplaner treffen, um für ihre Sünden zu büßen? Ich sah dort wirklich mal ein Pärchen sitzen, die aber Atemmasken trugen und aus Duisburg kamen, um dort ihr Heimweh ausleben zu können. Vielleicht sind aber diese Neuerungen gar nicht so schlimm und man muß nur einfach den Blick darauf verändern. Wie sagte schon Joseph Freiherr von Eichendorff: „Schläft ein Lied in allen Dingen, die da träumen fort und fort, und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort.“


© 2020 Erwin Grosche