Das Egon-Olsen-Gefühl

Detlef Färber – „Meine philosophische Friseuse“

von Frank Becker

Umschlagillustration: Thomas Leibe
Das Egon-Olsen-Gefühl

oder

Auftrag an die Geheime Sprachpolizei
 
Detlef Färber (*1958) kennt das Leben an der Basis in zwei Deutschlands und kann daraus erzählen. Die Kolumnen des Satirikers und Kulturredakteurs, die er seit 30 Jahren für die Mitteldeutsche Zeitung schreibt, öffnen das Fenster zum Alltag so pointiert, wie wir es mitunter ansatzweise zu denken versuchen, aber das Ergebnis eben nicht aufschreiben. Er hingegen tut es, und seine Leserinnen und Leser profitieren regelmäßig davon, findet man sich doch in so vielen Geschichten wie vor einem Spiegel wieder. Mit Kulturwissen, Geschichtsbewußtsein, gesundem Mißtrauen gegen Verwaltungen, Esoteriker, Sprachfälscher und Computer und mit klarer Sprache dreht er dunkle Seiten des täglichen Lebens und der jüngeren Historie zum Vergnügen der Leserschaft ans Licht, fordert ein Warndreieck fürs Handy, schwärmt vom philosophischen Busen seiner Friseuse Mandy, spricht über Quoten, geht mit Biß der Bedeutung der Olsen-Bande und des 13. August für DDR-Bürger und anderen markanten Daten auf den Grund. Er vermittelt dem musikalischen Laien Händels „Händelwerdung“ und zeigt mit dem spitzen Finger auf Sprachsünden und diverse Befindlichkeiten.

Es ist faktisch so, daß ich hier weiter aufzählen könnte, denn es gibt so viele Lieblings-Kolumnen (also meine) unter den 111 in diesem Buch zusammengetragenen, daß ich einfach fortfahren könnte. Aber noch besser ist es, Ihnen an einem Beispiel – andere werden folgen – zu zeigen, wie eloquent Detlef Färber uns die Welt und ihre Zusammenhänge aufdröselt, uns - so beschreibt es der Verlag trefflich - zu den kleinen und großen Angelegenheiten und Gebresten der Welt führt.
 
Schurkinnen und Schurken
 
Im Radio kommt was über eine Demo. Erst die gute Nachricht: Ein Politiker lobt die friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten - muß dann aber auch gleich zur Schattenseite der Sache kommen: zur Randale und zu den Störenfrieden. Wir sind schon ganz gespannt, wie der Mann das sprachlich lösen wird. Vielleicht mit „Chaotinnen und Chaoten“? Nein, er spricht nur von „Chaoten“, denn er ist ein Kavalier von altem Schrot und Korn. Recht hat er! Schließlich sind Männer beim Randalieren immer noch klar in der Mehrheit. Doch schon der zweite Blick auf diesen Politkavalier macht Kummer. Eigentlich müßten die Freundinnen und Freunde von der Geheimen Sprachpolizei längst Sturm laufen gegen ihn. Denn der reinste Chauvinismus steckt hinter seinen guten Manieren. Selbst Randerscheinungen wie Randale werden hier unterschwellig zur Männersache erklärt. Geringschätzung schwingt dabei mit. Frauen werden auf schamlose Weise verharmlost. Das ist Positiv-Diskriminierung! Na ja, vielleicht war es nur ein Ausrutscher, die krasse Ausnahme? Mal hören, was andere sagen: Unbekannte Diebe haben gestern ..., meldet die Polizei. Nanu? Wissen die Kommissare jetzt schon, daß es keine Diebinnen waren? Auch die Suche nach sprachpolizeilich zwingend gebotenen Floskeln wie „Täterinnen und Täter“ verläuft ergebnislos. Zu finden sind nicht mal „Betrügerinnen und Betrüger“ oder auch nur „Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher“. Wo sind sie, die Schurkinnen unter den Schurken? Etwa schon gänzlich von der Bildfläche wegdiskriminiert? Scheint so. Und schuld sind wieder die Kavaliere, die Machos. Man muß ihnen schleunigst das Handwerk legen! Oder sollte man sie doch begnadigen, weil sie´s „nur gut gemeint“ haben? Wenn ja, dann müßte die deutsche Sprache gleich mit begnadigt werden. Unzählige unschuldige Wörter würden so aus ihrer jahrelangen Beugehaft freikommen. Und andre, die gerade frisch am Pranger stehen, dürften auf Bewährung hoffen.(© Detlef Färber)
 
Detlef Färber – „Meine philosophische Friseuse“
111 Satiren, kurz geschnitten – Mit Illustrationen von Thomas Leibe
© 2015 Mitteldeutscher Verlag, 224 Seiten, Broschur  -  ISBN 978-3-95462-537-6
9,95 €