Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum erwirbt ein umfassendes Jankel-Adler-Konvolut

548 Grafiken und vier Gemälde ergänzen den bereits umfangreichen Bestand

von Marion Meyer

Jankel Adler Selbstbildnis, um 1940 - Foto: VDHM
Das Wuppertaler Von der Heydt-Museum
erwirbt ein umfassendes Jankel-Adler-Konvolut
 
Dem Von der Heydt-Museum Wuppertal ist es gelungen, ein umfangreiches Werkkonvolut von Jankel Adler (1895 nahe Łódź, Polen – 1949 in England) zu erwerben. Die 548 Grafiken und vier Gemälde konnten mit Hilfe der Von der Heydt-Stiftung, des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, der Kulturstiftung der Länder sowie mit einer Spende angekauft werden. Das Konvolut stammt überwiegend aus dem Nachlaß des polnisch-jüdischen Künstlers.
Die Erwerbung ist für das Von der Heydt-Museum von besonderer Bedeutung. Sie etabliert in der Sammlung einen neuen Schwerpunkt und verstärkt die Kompetenzen des Hauses bei der Dokumentation der Künstlervereinigung „Junges Rheinland“. Das Von der Heydt-Museum verfügt bereits über einen wertvollen Bestand zu Jankel Adler, der an seine Verbindungen zum Rheinland und die Anfänge seines künstlerischen Werdegangs in (Wuppertal-) Barmen erinnert.
Zu diesem Bestand gehören fünf Gemälde, einige Arbeiten auf Papier sowie ein Archiv, das Nina Adler, die Tochter des Künstlers, dem Museum 1991 vermachte. Das Museum sieht sich damit der Erhaltung und Vermittlung des Werks von Jankel Adler in besonderer Weise verpflichtet.
 
„Das Werk Jankel Adlers ist eine wichtige Position für Nordrhein-Westfalen, deren Erforschung neue Erkenntnisse zum Œuvre selbst sowie zu den Netzwerken der Künstlervereinigungen ‚Junges Rheinland‘ und der ‚Kölner Progressiven‘ erwarten läßt. Am Beispiel Jankel Adlers zeigt sich besonders gut der Dreiklang unserer Fördertätigkeit im Bereich der Museen: So haben wir das Von der Heydt-Museum über den Ankauf hinaus bei der wissenschaftlichen Erforschung des Bestandes im Rahmen eines Forschungsvolontariats gefördert und mit einer Ausstellung zusätzlich die öffentliche Präsentation von Arbeiten Jankel Adlers unterstützt“, sagt Isabel Pfeiffer-Poensgen, Kultur- und Wissenschaftsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen.
Das kürzlich erworbene Konvolut umfaßt Adlers gesamtes Schaffen: von den 1920er Jahren über seine Zeit in Paris bis zum britischen Exil. Es zeigt damit eindrucksvoll sowohl die Vielschichtigkeit der künstlerischen Vorgehensweise als auch die Entwicklung der individuellen Formensprache dieses Malerrevolutionärs. Wie sein Landsmann Chagall definierte Adler seine individuelle Position vor dem Hintergrund seiner jüdischen Herkunft und formte dabei ein weltweit verständliches Bildrepertoire.
 

Jankel Adler, Stehende mit hochgestelltem Bein, um 1940 -- Foto: VDHM

Im Rahmen eines zweijährigen Forschungsvolontariats, ermöglicht durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, wird das Werkkonvolut zurzeit intensiv wissenschaftlich bearbeitet und für weitere Forschungen zugänglich gemacht. Es wird voraussichtlich 2022 in einer umfassenden Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert.
Das Von der Heydt-Museum hat sich schon früh darum bemüht, Jankel Adler ins Bewußtsein der Öffentlichkeit zu rücken. 1955, nur wenige Jahre nach seinem Tod, richtete es die erste Adler-Ausstellung in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg aus. 1985 erinnerte eine Schau in Düsseldorf an den Künstler, die auch in Łódź und Tel Aviv gezeigt wurde. 2018 würdigte das Von der Heydt-Museum Adlers Schaffen mit einer umfassenden Retrospektive und stellte sein OEuvre in den Kontext seiner Künstlerfreunde, Weggefährten und Vorbilder, wie Otto Dix, Paul Klee, Pablo Picasso, Marc Chagall und vielen andere. So gelang es, die zentrale Rolle Adlers im Kunstgeschehen insbesondere der 1920er und 1930er Jahre zu verdeutlichen.
 

Jankel Adler, Heimkehr (2. Zustand), um 1943 -- Foto: VDHM

Jankel Adler hatte eine besondere Beziehung zum Wupper-Tal. Seit 1916 studierte er an der Barmer Kunstgewerbeschule bei Prof. Gustav Wiethüchter und fand Anfang der 1920er Jahre Anschluß an die rheinische Kunstszene. Zunächst war der gebürtige Pole in der Barmer Künstlervereinigung „Die Wupper“ aktiv, anschließend knüpfte er Kontakte mit anderen Künstlergruppen wie dem „Jungen Rheinland“, den „Kölner Progressiven“ und dem „Aktivistenbund“. Sammler wurden auf Jankel Adler aufmerksam, er war in Ausstellungen vertreten und zählte bald zu den führenden Künstlern im Rheinland. Auch überregional fand er Anerkennung und Beachtung, war international vernetzt und pflegte Kontakte u.a. nach Berlin, Paris und Polen.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten mußte Adler befürchten, als „Kulturbolschewist“ angegriffen und nicht nur als progressiver Künstler, sondern auch aufgrund der Rassenideologie verfolgt zu werden. Bereits 1933 emigrierte er deshalb nach Paris. Viele seiner Werke wurden bei den nationalsozialistischen Aktionen gegen die sogenannte „Entartete Kunst“ 1937/38 in deutschen Museen beschlagnahmt und zerstört bzw. gelten bis heute als verschollen.
Ab 1943 hielt Jankel Adler sich in London auf und fand Anschluß an die britische Kunstszene. Bald wurde er zum Impulsgeber für jüngere britische Künstler wie Robert Colquhoun, Robert MacBryde und John Minton. Es folgten Einzelausstellungen in England, Israel, Belgien und den USA. Am 25. April 1949 starb Adler 54-jährig an den Folgen einer Herzattacke.
 

Jankel Adler, Künstler von seinen Bildideen umgeben, um1944 - Foto: VDHM

Das Konvolut, das nun für Von der Heydt-Museum erworben wurde, zeigt, in welchem Maße Jankel Adler an den Avantgarde-Bewegungen ab den 1920er Jahren partizipierte, bevor er in der Emigration einen Neuanfang finden mußte. Sein frühes Schaffen, das nur spärlich überliefert ist, zeigt Einflüsse des Analytischen Kubismus, des Konstruktivismus und der Neuen Sachlichkeit. Seine Motive sind der Alltagsrealität entnommen. Einige Blätter demonstrieren, wie der Künstler sich einerseits klar auf die westliche Kunstwelt bezog, aber andererseits sein „Jüdisch-Sein“ lebte und in seinen Bildwelten spiegelte. In den 1930er Jahren entwickelte Adler eine neue, abstraktere Bildsprache mit verschlungenen und zerrissenen Linien, Deformationen und Fragmentierungen. Thematisch setzte er sich mit apokalyptischen Themen, Leid, Gewalt, Zerrissenheit und Verunsicherung auseinander.
Von besonderem Interesse sind die Arbeiten aus seiner letzten Schaffensphase in England, da sie sonst in keiner deutschen Museumssammlung derart umfangreich vertreten sind. Ihre Formensprache bildete sich in den 1940er Jahren aus postkubistischen und surrealistischen Elementen, was sich oft in gegenstandslosen Kompositionen bzw. Metamorphosen des menschlichen Körpers zeigt. Die Werke, überwiegend Aktbilder und Stilleben, umfassen die ganze Spannweite seines Arbeitens und Denkens: von flüchtigen Skizzen, intimen Momenten der Inspiration und Reflexion im Atelier bis hin zu komplexeren Bildentwürfen.
 

Jankel Adler, Große Figurengruppe, um 1948 - Foto: VDHM

Weitere Informationen: www.von-der-heydt-museum.de