Liebeserklärung an den Buchladen

Rainer Moritz – „Leseparadiese“

von Frank Becker

Ein Ausflug ins Paradies
 
Rainer Moritz nimmt mit in Buchhandlungen
 
 
Ein Buch, in dem der Leser nicht etwas von sich
entdeckt, wird er vergessen.
(Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger)
 
Es ist keine Überraschung, mit Rainer Moritz´ Leseparadiese ein ganz zauberhaftes Buch über Bücher, Buchhandlungen und den engagierten Leser in Händen zu halten, erzählt er doch von seinen eigenen Leseerfahrungen und seinem Leben – und das kann er verdammt gut, wie wir aus „Ich Wirtschaftswunderkind“, „Schlager“ und aus „Mein Vater, die Dinge und der Tod“ wissen. Wenn Rainer Moritz erzählt, nimmt er seine Leser mit.
 
Hier nun bilden Buchhandlungen und zuvörderst ihre Eigentümer, Betreiber oft seit Generationen, den Kern seiner liebenswerten Betrachtungen. Dazu wandern wir mit Rainer Moritz durch Deutschland, wo er uns mit erlesenen Geschäften, achtbaren Buchhändlern und ausgewählten Sortimenten bekannt macht. Zu Anfang führt er uns in die Vergangenheit, seine ersten Begegnungen mit dem Buch als Liebesobjekt und zu den Bibliotheken, Händlern und Händlerinnen, die ihn und sein Literaturbild geprägt haben. Welcher lesehungrige Jugendliche hätte sich nicht seine ersten Erfahrungen in öffentlichen Bibliotheken gemacht, bevor das angesparte Taschengeld endlich für die Anschaffung eigener Bücher reichte. Und der eine oder andere hat sich wie er vielleicht einmal in eine schöne - und natürlich unerreichbare - Buchhändlerin verliebt.
 
Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten,
aus den Stuben über die Sterne.
(Jean Paul)
 
Was war Ihre erste Leseerfahrung und was war eigentlich in jungen Jahren Ihr Lieblingsbuch? Rainer Moritz´ Einstieg in seine Leseparadiese weckt unmittelbar das eigene Erinnern, und mit Vergnügen schwelgt man in süßer Erinnerung. Ich bin sicher, das wird jedem und jeder so gehen, tauchen sie in dieses feine Buch ein. So wie er sich an die frühen Buch-Geschenke Bechsteins Märchen, einen Fotoband zu Karl-May-Filmen, Fußball 66 von Heribert Meisel und Hans J. Winkler sowie an die Hanni und Nanni Bücher seiner älteren Schwester erinnert, ging es mir mit Horst wird Förster von Erich Kloss, In allen vier Winden und den Gisel und Ursel Büchern meiner älteren Schwester. Als das Taschengeld reichte, kaufte ich bei Julius Müller, der ersten Buchhandlung meines jungen Lebens, erst für je 95 Pfennige die Bände der Göttinger Jugendbücherei, dann jeden Edgar Wallace-Krimi, der bei Goldmann erschien, und die mir stets meine Oma abluchste, später Henry Millers Stille Tage in Clichy.
 
 
Vor dem Schaufenster - Foto Kniel Synnatzschke © Thiele Verlag / Sanssouci

Rainer Moritz erzählt die köstliche Geschichte hinter Carl J. Burckhardts unvergeßlichem Ein Vormittag beim Buchhändler und von der berührenden Fern-Freundschaft der New Yorker Autorin Helene Hanff mit begrenzten Mitteln und einem Londoner Buchhändler vornehmer Gesinnung. Moritz hatte das Privileg, Helene Hanffs Aufzeichnung ihres Briefwechsels mit Frank Doel im Jahr 2002, von ihm selbst übersetzt, im Verlag Hoffmann und Campe erstmals in Deutschland herauszugeben.
Und er stellt die Frage, wie wohl die ideale Buchhandlung aussehen mag. Da aber ist jeder selbst gefragt, ob Bibliophiler oder Bibliomane. Immerhin bietet er – und da nennt er Roß und Reiter beim Namen – eine Vielzahl wunderschöner und höchst individueller Buchhandlungen an, verstreut nicht nur über die deutsche Landkarte.
Es ist ein so wundervolles Buch – auch weil der Verlag Sanssouci den Titel mit der hinreißenden Sydney Lafaire schmückt –, daß es unser Prädikat, den Musenkuß bekommt und unser Buch des Monats ist. Sehr zu empfehlen.
 
Die Erinnerung ist das einzige Paradies,
aus dem wir nicht vertrieben werden können.
(Jean Paul)
 
Rainer Moritz – „Leseparadiese“
Eine Liebeserklärung an die Buchhandlung
© 2019 Thiele Verlag / Sanssouci, 160 Seiten, in Naturpapier gebunden, geprägter Rücken- und Deckel-Titel, 11,5 x 18,5 cm, Lesebändchen, Literaturhinweise - ISBN: 978-3-99056-049-5
14,- € (D) / 14,40 € (A)
 

Versunken - Foto Kniel Synnatzschke © Thiele Verlag / Sanssouci

Weitere Informationen: https://www.thiele-verlag.com