Ihre Briefe

(für L.)

von Heinz Junker

Handschrift der Annette von Droste-Hülshoff - Foto © Frank Becker

Ihre Briefe
 
Von Heinz Junker
 
Ihre Briefe kommen in wöchentlichem Abstand, lange Briefe. Alle ihre seelischen Erfahrungen, Stimmungen, Erlebnisse schlagen sich nieder. Koboldisch einmal, dann von grimmigem Humor und mit manchem Ausrufezeichen, wie es bei jungen Mädchen so ist, wenn sie Dampf ablassen.
     Sie schreibt Briefe. Und je mehr sie schreibt und je öfter ich antworte, wird es klarer, daß wir beide eine radikale Minderheit sind. Wer schreibt, sonst? Postkarten aus dem Urlaub stapeln sich auf dem Schreibtisch, ja. Aber Briefe? In Briefumschlägen kommen an: Bankauszüge, Telefonabrechnungen, Rechnungen des Orthopäden, Werbesachen.
Brief als Medium: Vor Jahrhunderten haben die besten Europäer darin geschwelgt. Man denke an Lieselotte von der Pfalz, „Goethes Briefwechsel mit dem Kinde“, Bettina von Arnim und die Romantiker, die beiden Musiker Richard Strauss und Gustav Mahler.
     Vor Jahren warb die Post: „Schreib´ mal wieder!“ Anleitungen über die Kunst des Briefeschreibens warten in den Buchhandlungen auf Rückfällige. Liebesleut´ schreiben sich noch, wenn sie. getrennt sind. Aber mehr und mehr breitet sich die wunderbare Kunst aus, seiner Freundin per Heimcomputer Grüße zu bestellen. Handgeschriebene Briefe, die zeigen, daß sich jemand Zeit nimmt, die halbe Nacht aufsitzt, überlegt, formuliert, in Augenblicken der Heiterkeit Blumen, Clowns, Wolken, das Meer oder eine junge Palme dazuzeichnet. Ein ununterbrochener Strom seelischer Information, der beglückt, herausfordert.
     Wenn man spaziert, sucht man Formulierungen, die sie erheitern könnten. Dann schreibt man sie auf und verbessert noch den Gedanken, vertieft ihn. Hohe Wonne des Briefeschreibens, bleibe mir erhalten.


Ich habe diesen Text einem Zeitungsausschnitt entnommen, der in einem Buch einlag, ohne Datums- oder Quellenangabe. Über den Namen des Autors war nicht zu ermitrteln, wer er wohl ist oder war und wo der wunderbare Text einmal erchienen ist. Sollte sich jemand finden, der es weiß, bitte ich ihn oder sie sich bei uns zu melden.