„Wasch mir den Pelz, aber mach ihn nicht naß“

Verbreitung und Bedeutung eines merkwürdigen Sprichworts

von Heinz Rölleke

Prof. Dr. Heinz Rölleke - Foto © Frank Becker
„Wasch mir den Pelz,
aber mach ihn nicht naß“
 
Verbreitung und Bedeutung eines merkwürdigen Sprichworts
 
Von Heinz Rölleke
 
Herzog Georg von Sachsen (1471-1539), der in der Zeit der Reformation starr an einem rigorosen Katholizismus festhielt und deswegen von Luther öffentlich geradezu rüde getadelt wurde, schrieb über den allzeit friedfertigen Humanisten Erasmus von Rotterdam (1467-1536), der katholisch geblieben war, aber in Schriften und Briefen einige der reformatorischen Ansätze mittelbar gefördert hatte: „Wasch mir den Peltz vnd mach ihn mir nicht naß.“
Der Herausgeber des umfassendsten Lexikons Deutscher Sprichwörter, K.F.W. Wander führt dazu aus:
 
       „Herzog Georg von Sachsen soll das Wort zuerst, und zwar tadelnd gegen   
den diplomatischen Erasmus von Rotterdam gebracht haben.“
 
Erläuternd merkt Wander an:
 
       „Spott auf das Halbe in Wort und That, wenn man spricht und die                
besten Worte im Munde behält, und eine Sache so austhut als wäre                      
sie nicht gethan.“
 
Der berühmte Straßburger Prediger Geiler von Kaysersberg (1445-1510) zitiert die bildhafte Redewendung bereits um das Jahr 1500, und vor dem herzoglichen Tadel an Erasmus hatte der Satiriker Thomas Murner sie schon als bekannt vorausgesetzt: „Ye me man wescht ein beltz fürwar“ („Die Schelmenzunft“; 1512). Natürlich sind weder Geiler noch Murner oder gar der Herzog Erfinder des Sprichworts, denn es war schon bei den alten Römern in der Zeit um Christi Geburt in Gebrauch:„Elue pelliceam, nec aqua tamen imbue plane“ (wasch den Pelz aus, aber benetze ihn dabei nicht zu sehr, mache ihn nicht völlig naß). Der Gleichklang von „elue“ und „imbue“ läßt vermuten, daß es sich hier bereits um eine geprägte (sprichwörtliche) Redensart gehandelt hat. So findet sie sich denn auch 1677 in der Sprichwörtersammlung von Seybold verzeichnet. In der deutschsprachigen Überlieferung bleibt der Wortlaut seit nunmehr fünfhundert Jahren ziemlich identisch, obwohl er auf unterschiedliche Weise gebraucht wird.
 
Das Grimm'sche Wörterbuch erläutert, daß „Pelz“ ein seit dem 10. Jahrhundert schriftlich belegtes Lehnwort aus „pellicia“ ist; das spricht seinerseits für eine Übernahme des Spruchs aus dem Lateinischen.
 
Im derzeit bekanntesten Sprichwörterlexikon (von Lutz Röhrich) ist die lateinische Fassung nicht angeführt. Zur Bedeutung der deutschsprachigen Wendung heißt es:
       „Pelz wird ähnlich wie Fell und Pelle gern für die menschliche Haut gebraucht […]. 'Wasch mir den Pelz, aber mach ihn mir nicht naß!' sagt man, wenn man bei Tadel doch sanft behandelt werden möchte oder wenn jemand ein Vorhaben ankündigt, aber viel zu schwache Mittel anwendet.“
 
Die anscheinend früheste Deutung findet sich im „Florilegium“ des Christoph Lehmann von 1630:
 
       „Man findt witzknöpffel, die reiche malefitzische Leut gern wolten straffen, doch daß es jhnen an ehren nicht verletzlich sey; das ist auff Eulenspieglisch den Beltz waschen vnd nicht naß machen.“
 
Die Erläuterungen Lehmanns, Wanders und Röhrichs treffen gewiß die Grundaussage der Wendung; es ist indes unwahrscheinlich, daß sie das ganze Spektrum der Deutungsmöglichkeiten abdecken, denn das Bild vom gewaschenen Pelz drückt je nach seiner Platzierung in den jeweiligen Argumentationszusammenhängen verschiedene, zumindest nuancierende Meinungen aus.
 
Für den kontinuierlichen Gebrauch des Sprichworts kann Wander zahlreiche Belege in nicht weniger als 17 Sprichwörtersammlungen zwischen 1570 („Wasch mir den belz und netz in nit“) und 1863 („Wäsch m'r de Belz unn mach m'r u nit naß“ - aus der Pfalz) nachweisen. Diese seien durch einige Fundstellen aus der deutschen Literatur ergänzt. Hier ist der Spruch fast durchweg als Selbstaussage einer Figur tadelnd in den Mund gelegt, um damit den wahren Charakter ihrer Worte und Taten aufzudecken. So unterstellt ja auch schon Herzog Georg dem auf Ausgleich bedachten Erasmus, er äußere seine Meinung nicht eindeutig, sondern unterstütze in den konfessionellen Streitigkeiten des frühen 16. Jahrhunderts zuweilen die Katholiken und noch öfter die Lutheraner. Er tue zwar so, als ob er keine heftigen Angriffe, keine Abreibung (Pelzwäsche) aus jeweils einem der beiden Lager fürchte, tatsächlich aber wolle er seine Haut (seinen Pelz) retten, indem er beide nicht derart düpiere, daß sie ihn allzu gründlich „naß“ machten; seine ihm unterstellte Aufforderung dazu („Wasch mir den Pelz“) sei nur vorgetäuscht, nur scheinbar tapfer, in Wahrheit aber feige.
 
Es ist wiederum Murner, der 1512 in seiner „Schelmenzunft“ den Anfang der bildlichen Redensart aufnimmt, um sie nun ausdrücklich auf die Reu- und Bußübungen in der Ohrenbeichte zu beziehen. Ein gläubiger Katholik will sich nach seinem Sündenbekenntnis und den ergänzenden Fragen des „Pfaffen“ von diesem seinen Pelz gründlich waschen lassen:
 
            „den beltz wil ich myr weschen lon
            und den harnisch sauber fegen,
            was ich nit kan, muoz der pfaff fregen.“
 
Das Bild des Reinwaschens wird hier wie häufig auf das Abwaschen von Sünde und Schuld übertragen, wie es etwa im lateinischen Hochamt bei der Austeilung des Weihwassers vor dem Sündenbekenntnis heißt:
 
            „Asperges me, Domine, […] et mundabor; lavabis me, et super nivem dealbabor.“
            Besprenge mich, Herr, so werde ich rein; wasche mich, so werde ich weißer als der Schnee.
 
Der berühmteste deutsche Barockdichter, Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen, hat in gleich zweien seiner Romane den Spruch gebraucht, 1670 im „Simplicissimus“ und 1672 im „Vogelnest“ („Wasche mir den Pelz, aber bei Leib und Leben mache mir ihn nicht naß!“). Aus den Kontexten ergibt sich die Meinung des Bildes: Hilf mir (auch durch Bestrafung oder rauhes Anfassen, eben durch tiefenreinigende Wäsche des Pelzes), aber nicht so, daß ich zu sehr darunter leiden und auch daß ich selbst nicht viel oder gar nichts dazutun muß.
 
Wenig später präsentiert der Prediger Abraham a Sancta Clara in seiner Schrift „Judas der Erzschelm“ (1686) den Spruch im Rahmen einer Kritik am Hofstaat im Allgemeinen und an den Hofleuten im Besonderen, denen er ihre „Falschheit“ vorwirft, denn sie täuschten vor, ihr „Pelz“ sei gründlich gewaschen, während sie tatsächlich in ihren gewohnten Lastern verharrten. Die Erläuterung des Spruchs gibt er in seiner gewohnten sprachspielerischen Manier:
 
       „Ich […] lobte beinebens die Lateiner, daß sie den Hofstaat nit anders genennet haben, als 'Aula', welches im Buchstaben-Wechsel 'Laua' lautet, das heißt so viel, als wasch mit den Pelz und mach mir ihn nit naß. Solche falsche Hofleute, die im Maul Honig, im Herzen höhnisch seynd, die in Worten Zucker, im Herzen Zanker seynd, die von aussen eine Lieb, von innen ein Dieb tragen […].“
 
Der bedeutende Dramatiker in der Epoche des Sturm und Drang, Jacob Michael Reinhold Lenz, verfaßte 1775 „Briefe über die Moralität der Leiden des jungen Werthers“, die das berühmte Werk seines Freundes Goethe gleicherweise mit Lob und Kritik bedenken. Er tadelt die zeitgenössischen Rezensenten, die kein festes Urteil über die von ihnen vorgestellten Bücher aussprechen, denn sie gerbten den Autoren nur scheinbar das Fell, möchten ihnen aber keinesfalls angemessen heftig zusetzen:
 
       „In unserer kritischen Zeit wo alles voll Rezensenten heckt – ich muß mich erstaunen, daß ich nirgends e i n  U r t e i l  l e s e . Wasch mir den Pelz und mach mir'n nicht naß ist ein altes deutsches Sprüchwort.“
           
In seinem bekanntesten Werk „Lebensläufe nach aufsteigender Linie“ (veröffentlicht 1778) übt der Staatsmann und Schriftsteller Theodor Gottlieb Hippel, der sich engagiert für aufklärerische Ideen einsetzte, mancherlei Kritik am menschlichen Verhalten. Die gegenwärtigen Geistlichen tadelt er, weil sie die Sünder nicht deutlich und hart, sondern nur noch lasch verurteilen (die altüberkommene Kirchenbuße ist keine Strafe mehr):
 
       „Kirchenbuße ist kein Staupenschlag. Wasch mir den Pelz, und mach ihn nicht naß.“
 
Ludwig Bechstein veröffentlichte 1853 sein „Deutsches Sagenbuch“. Wie in die Texte seiner berühmten Märchensammlungen, so fügte er auch in die hier versammelten 1000 Sagen mit Vorliebe Sprichwörter und Redensarten ein. In der Sage Nr. 860 („Wölfe gehenkt“) findet sich auch das in Rede stehende Sprichwort:
 
       „Im Sommer des Jahres 1685 hauste ein gefährlicher Wolf im Ansbacher Gebiet, erwürgte mehrere Menschen, Kinder und Erwachsene, und entging lange dem Tode, denn die gnädige Landesherrschaft wies zwar den Oberjäger an, mit Zuziehung mehrerer Leute einen Streif vorzunehmen nach dem Wolfe, aber dabei fleißig Acht zu haben, daß dem Wildpret dadurch kein Schaden zugefügt werde; da ging es recht nach dem Sprüchwort: wasche mir den Pelz und mache mich nicht naß. Der Wolf würgte und wüthete fort.“
 
Die Obrigkeit wird auch hier mittels des bekannten Bildes getadelt: Sie tut so, als ginge sie gegen den Übeltäter vor, wäscht dem Wolf aber eben nicht so gründlich den Pelz, wie es doch dringend geboten wäre: Der Oberjäger wird zwar zur Beruhigung der Untertanen mit Aplomb auf den mörderischen Wolf angesetzt, aber durch Befehl gleichzeitig daran gehindert, ihm eins auf den Pelz zu brennen.
 
Seit 1920 ertönt das alte Sprichwort alljährlich während der Salzburger Festspiele, so daß es auch deswegen in den vergangenen hundert Jahren nicht an Bekanntheit eingebüßt, sondern eher noch gewonnen hat. Hugo von Hofmannsthal hat in seinen „Jedermann“ (Uraufführung 1911 in Berlin) das altenglische Spiel „Everyman“ bearbeitet und nach dem Muster des Grimm'schen Verfahrens bei ihren „Kinder- und Hausmärchen“ eine Reihe von Sprichwörtern eingebracht. Diese finden sich wie bei Grimm nicht in den benutzten Quellen. Hofmannsthal war zeitlebens an dieser volksliterarischen Gattung sehr interessiert und hatte lange geplant, selbst ein Sprichwörterlexikon zu erstellen.
 
Schon 1907 hatte er im Lustspielfragment „Silvia im Stern“ die Madame Laroche im Ton leichter Empörung ausrufen lasse: „Alles so outriert! Wasch mir'n Pelz, aber mach ihn nicht naß.“ Das meint: Alles wird so übertrieben und fälschlich dargestellt, wie das tatsächlich nicht spürbare Wasser bei der Pelzwäsche.
 
In der letzten Szene des Geistlichen Spiels hat der sterbende Jedermann bei seiner Suche nach einem Geleit auf seinem Weg vor das göttliche Gericht zuletzt endlich zu zwei allegorischen Figuren gefunden: seine bis dato mißachteten wenigen guten 'Werke' und den seit Kindertagen von ihm nicht mehr bekannten 'Glauben' an den Erlöser. Nach langen Zweifelreden bekennt er sich endlich dazu, daß er an seine Erlösung durch Christus glaubt („Ich glaube: So lang ich atme auf Erden, mag ich durch Christum gerettet werden“). Nun können 'Werke' und 'Glaube' ihn an einen Beichtvater verweisen: „Ein guter Helfer wartet dein, bei ihm wird deine Seele rein (Mönch wird oben sichtbar).“ Während der Beichte hinter der Szene kommt überraschend der Teufel schreiend „angesprungen“, der ähnlich wie Mephisto im Finale von Goethes „Faust“, ganz sicher ist, die Seele des ihm bislang „mit Haut und Haaren“ verfallenen Jedermann an sich bringen zu können. Als 'Glaube' ihn belehrt, daß Jedermanns Seele in diesem Augenblick durch seine Reue und die Absolution im Beichtsakrament endgültig vor der Hölle gerettet ist, wird der Teufel wortgewaltig ausfällig:
 
                        „Ha! Weiberred und Gaukelei!
                        Wasch mit den Pelz und mach ihn nit naß!
                        Ein Wischiwasch! Salbaderei!
                        Zum Speien ich dergleichen haß!“
                        […]
                        Ich wollt, daß er im Feuer läg.
                        Und kommt in einem weißen Hemd
                        Erzheuchlerisch und ganz verschämt.“
 
Der Teufel unterstellt dem Jedermann, er habe sich nur heuchlerisch seiner Sünden angeklagt und gebeten, seine Seele (seinen Pelz) in der Beichte rein zu waschen; tatsächlich habe er damit aber damit zugleich die Bedingung gestellt, die verdiente Strafe abzuwenden, um von dem schmerzhaft reinigenden Wasser gar nichts abzubekommen. Auch hier wird einer kritisierten Figur der Spruch indirekt in den Mund gelegt, als habe Jedermann dem Beichtvater sinngemäß gesagt: Hilf mir von meinen Sünden, aber so daß ich nichts dazu tun muß, strafe mich mit strenger Buße, aber so daß ich nicht darunter leiden muß.
 
In einer figura ethymologica folgt auf die Redensart im nächsten Vers das Wort „Wischiwasch“, das lautmalerisch an „waschen“ angelehnt ist. Der Teufel kritisiert also nicht nur Jedermann, weil er ihm zu Unrecht unterstellt, er gebe sich nur den Anschein, als wolle er sich wirklich von seinen schweren Sünden reinwaschen lassen; auch die Argumentationen von 'Glaube' und 'Werke' tut er als unverständiges, unsinniges Gewäsch ab.
 
„Wasch mir den Pelz“: Eine sprichwörtliche Redensart, die sich fünf Jahrhunderte hindurch in der deutschen Literatur nachweisen läßt, hat auch gegenwärtig noch einen festen Platz im Sprachgebrauch.
 

© Heinz Rölleke für die Musenblätter 2020