Gebremste Herkuleskeule

„Die Herkuleskeule“ aus Dresden mit dem Kabarett-Stück „Robinsöhne“

von Frank Becker

Gebremste Herkuleskeule
 
 „Die Herkuleskeule“ aus Dresden
mit dem Kabarett-Stück „Robinsöhne“
 
Remscheid. Mit Verve und Witz startete die „Herkuleskeule“ aus Dresden zur Reise auf die Insel Demokratien. Daß man auf dem Lego-Strand dort entweder landet, weil man Schiffbruch erlitten oder den Boden (der Demokratie) gekauft hat, gab reichlich Stoff unter dem Titel „Robinsöhne“ her. Zwar blieben viele Plätze an Bord des MS „Teo Otto“ frei, doch die Stimmung an Deck war gut. Die Herkuleskeulen-Schwinger folgten dem kabarettistischen Trend, indem sie ein „Kabarett-Stück“ präsentierten, ihre Szenen, Kritik und Pointen in ein von der Aktualität unabhängiges Handlungskorsett einpaßten.
 
Das zeigte sich zu Beginn noch voller Elan als intelligentes Sachsen-Kabarett mit Substanz, Pep und Musik (Jens Wagner und Volker Fiebig). Bevor es ins Thema ging, wurde mit einer Pointe der unbequeme Pflichtteil Irak-Krieg abgefrühstückt: „Herr Rummsfeld, ist überhaupt bewiesen, daß Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen hat? – Natürlich, ich hab ja noch die Rechnung!“ Ähnlich ging es der Bundespolitik, die sich zugunsten des Korsett-Konzepts ebenfalls mit maßvoller Aktualität begnügen musste: „Sitzt der Schröder eigentlich noch fest im Sattel? – Ja, aber man weiß nicht, ob unter dem Sattel noch ein Pferd ist.“ Birgit Schaller, auch stimmgewaltige Sopranistin, Rainer Bursche und Michael Frowin hatten das Ziel der legitimen Demokratie-Schelte im satirischen Blick.
 
„Wenn in der Demokratie die Regierung sagt: „Die Sonne scheint.“, und die Opposition: „Es regnet.“, beschließt der Vermittlungsausschuß, daß es nieselt.“ Das ist nicht aktuell, aber es trifft wie die resignierende Feststellung: „Wer weniger Stimmen hat, gewinnt die Wahl – das ist das amerikanische System.“ Kabarett hat auch die Aufgabe, neben brennenden Tagesproblemen grundsätzliche Unzulänglichkeiten aufzugreifen und an den Pranger zu stellen. Ob das die Werbung betrifft: „Verkauf die Leute nicht für blöd, aber vergiß nie, daß sie es sind!“ oder die bitterböse Gegenüberstellung des Hungers in der „Dritten Welt“ mit den im Jahr 2002 in Deutschland von gewinngeilen „Chirurgen“ aus Wohlstandskörpern abgesaugten 2,5 t Fett („Fett für die Welt“). Das mag unappetitlich sein, ist jedoch Kabarettistenrecht und -pflicht. Und wenn der Lacher mal im Hals stecken bleibt, ist das in Ordnung.
Leider aber ging der Chose nach der Pause die Luft aus. Elan und Ideen reichten für eine zweite Hälfte nicht. Es war wie abgeschnitten, wurde öde und flach, zusätzlich zerschlagen von einem mächtigen Hänger Birgit Schallers, der sich so tödlich auswirkte, daß sich trotz quälenden Bemühens bis zum Schluß keine Linie mehr einstellte. Perdu.
 
Frank Becker, 6.6.03