„Davon glaube ich kein Wort!“

Albert Einstein in der Anekdote

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
„Davon glaube ich kein Wort!“
 
Albert Einstein in der Anekdote

 Von Ernst Peter Fischer

 
Der Mann des Jahrhunderts  (5)
 
Einstein und der liebe Gott
 
Zurück von dem kühlen Mathematiker zu dem fröhlichen Physiker. Berühmt – weltberühmt – ist Einstein im Jahre 1919 geworden, als die geeigneten Experimente unternommen werden konnten, mit denen die Physiker offiziell zu bestätigen wußten, daß Einsteins neue Ideen das Universum besser beschreiben als die alten Vorstellungen von Isaac Newton, an denen man sich seit Jahrhunderten orientiert hatte. Der Raum erwies sich als gekrümmt, und Lichtstrahlen, die ihn durchquerten, mußten um Himmelsobjekte einen Riesenbogen machen. Auf den Titelseiten großer Zeitungen erschienen nach der Bekanntgabe der Messungen Überschriften wie „Die Sterne sind nicht da, wo wir sie vermuten, alles läuft schief am Himmel, fast keiner blickt mehr durch“, und mit solchen und ähnlichen Sätzen wurde nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ein neuer Star geboren. Die Relativitätstheorie wurde zum Stadtgespräch, und Einstein übernahm die Rolle des Weltweisen, dessen Gesicht sich nach und nach zu einer Ikone entwickelt und dem immer wieder Fragen zu seinem Glauben und seiner Einstellung zu Gott gestellt wurden.
       Einstein wunderte sich, denn er hat nie an einem Gottesdienst teilgenommen, seinen Söhnen den Religionsunterricht verweigert und bis zu seinem Tode an seiner Konfessionslosigkeit festgehalten. Er hat immer betont, daß seine wissenschaftlichen Theorien mit jeder Weltanschauung verträglich sind, daneben aber auch gewußt und in einer eleganten Formulierung betont, daß „Wissenschaft ohne Religion lahm und Religion ohne Wissenschaft blind“ ist.
       Am liebsten hätte der Physiker Einstein Gott aus dem Spiel gehalten, aber die Verhältnisse haben es nicht zugelassen. Im Frühjahr 1929 hat zum Beispiel ein amerikanischer Kardinal seine Gemeinde vor dem Studium der Relativitätstheorie gewarnt, da sie seiner Ansicht Gott und die Schöpfung bezweifle und gottlose Gedanken in ihr stecken würden. Dies brachte den Rabbiner von New York dazu, Einstein ein Telegramm zu schicken, das er vor seiner damals geplanten USA Reise beantworten sollte, weil man sonst gegen seinen Besuch demonstrieren würde. Der Rabbiner fragte in dem Telegramm (von dem wahrscheinlich viele Menschen, die im E-Mail Zeitalter aufgewachsen sind, nie etwas gehört haben):
       „Glauben Sie an Gott? Stopp Bezahlte Antwort 50 Worte.“ Einsteins Reaktion darauf ist berühmt geworden. Er telegrafierte folgenden Text mir knapp 30 Worten: „Ich glaube an Spinozas Gott, der sich in der gesetzlichen Harmonie des Seienden offenbart, nicht an einen Gott, der sich mit den Schicksalen und Handlungen der Menschen abgibt.“
       Die Reise durch Amerika verlief gut und harmonisch, sie machte auch Station in Kalifornien, wo Einstein mit seiner Frau die neuen Riesenteleskope besichtigte, die auf dem Mount Wilson in der Nähe des Caltech in Pasadena installiert worden waren. Nach der Besichtigung der eindrucksvollen Maschinerie fragte seine Frau den Leiter des Observatoriums, wofür man solche großen Geräte brauche. „Um das Weltall zu erkunden“, bekam Frau Einstein als Antwort, worauf sie bemerkte, „Dafür reichen meinem Mann ein Bleistift und die Rückseite eines Briefumschlags.“ 
       Einstein bezeichnete sich selbst als „kosmisch religiös“, er liebte es, sich freundlich und liebevoll über den Herrn im Himmel zu äußern, und er hat das derart häufig getan, daß der Schweizer Dichter Friedrich Dürrenmatt zu dem Verdacht gekommen ist, daß Einstein unter der Hand als Theologe gewirkt habe. Den Eindruck kann tatsächlich bekommen, wer zu zählen anfängt, wie oft Einstein sich über Gott geäußert hat. Den Grund für diese Ausflüge in religiöse Sphären hat er einmal so beschrieben:
„Was mich eigentlich interessiert, ist, ob Gott die Welt hätte anders machen können; das heißt, ob die Forderung der logischen Einfachheit überhaupt eine Freiheit läßt.“
       Und bei anderer Gelegenheit hat er geäußert: „Ich möchte nichts als meine Ruhe haben und wissen, wie Gott die Welt erschaffen hat. Seine Gedanken sind es, die mich beschäftigen“.
       Einsteins vertritt explizit die Idee einer verständlichen Welt, in der Gott die Gesetze so versteckt hat, wie es Eltern mit Ostereiern im Garten machen. Und so wie sie ihren Kindern beim Suchen zuschauen, betrachten die Götter wohlwollend und amüsiert ihre Menschenschar beim emsigen Forschen. Kein Wunder, daß Einstein der Meinung war, sich als Wissenschaftler sein Leben als Kind fühlen zu können. Diese Freiheit nahm er sich. An eine andere glaubte er nicht.
       Übrigens – zu Einsteins berühmten Sätzen mit theologischem Einschlag zählt die Bemerkung, „Raffiniert ist der Herrgott, aber boshaft ist er nicht“, womit er meinte, daß Gott die Gesetze der Natur nicht hinterlistig dort versteckt habe, wo man sie nicht finden kann. Wer diesen schönen Spruch von 1921 zitiert, sollte wissen, daß Einstein um 1923 seine Ansicht geändert und gesagt hat, „Ich habe noch einmal darüber nachgedacht. Vielleicht ist Gott doch boshaft.“ Damals hatten astronomische Beobachtungen die ersten Hinweise darauf ergeben, daß die Milchstraße nicht das ganze Universum ausmachen konnte und nur eine Galaxie neben anderen war, deren Zahl bis heute immer weiter zugenommen hat.
       In die zuletzt von Einstein angedeutete Richtung dachte in der jüngsten Zeit der britische Astrophysiker Stephen Hawking, der in der populären Presse gerne zum modernen Einstein stilisiert wird. Der körperlich schwer beeinträchtige Hawking hatte nämlich das berühmte Diktum seines Vorbildes, nämlich „Gott würfelt nicht!“, aufgegriffen und in den kecken Satz umgewandelt. „Gott würfelt doch, und er sorgt sogar dafür, daß die Würfel dorthin rollen, wo Menschen sie nicht finden können.“
 
 
© Ernst Peter Fischer