Dat dat dat darf…

Beethoven in Fakten und mit Humor (10)

von Konrad Beikircher
 
Konrad Beikircher - Foto © Frank Becker
Dat dat dat darf…
 
Beethoven in Fakten
und mit Humor (10)

Von Konrad Beikircher
 
 
„Beethoven war so taub,
daß er sein Leben lang dachte, er malt“
(anonymer englischer Musiker, 19. Jahrhundert)
 

Kadenz! Kadenz!
 
Liebe Hörerinnen und Hörer, gehen wir in die Schlußkonferenz eines sensationellen Konzertabends in Deutschland am heutigen Samstagabend, wir haben die vier spannendsten Konzerte ausgesucht, die heute gegeben werden um die letzten Minuten live zu Ihnen nach Hause zu bringen, ein Konzertabend voller knisternder Spannung, voller Höhepunkte, wie es bisher aussieht, voller Spannung, wir schalten in den Herkulessaal der Residenz in München, Edi Finger: wie schauts aus?
 
Edi Finger:
 
hier im ausverkauften Herkulessaal der Residenz in München haben wir jetzt Franz Schubert, Streichquartett in d-moll „Der Tod und das Mädchen“, das den Abschluß eines grandiosen Abends bietet, der schon in der ersten Halbzeit mit Beethovens Rasumowsky Quartett Nummer 1 ein atemberaubendes Tempo hingelegt hat, was sich gwaschen hat, der letzte Satz mit dem Russen-Thema ging in 6’30 über die Rampe, ein Tempo, das noch keiner erreicht hat, und dennoch blieb Christian Tetzlaff an der ersten Geige strichsicher und bogenfest immer im Angriff ohne locker zu lassen, so, daß man sich fragte wie die vier wohl dieses Tempo in der zweiten Halbzeit durchhalten können, aber es sieht alles danach aus, daß das überhaupt kein Problem ist, eine Kondition – gewaltig!, da merkt man kein bißchen Nachlassen oder Ermüdung, im Gegenteil, war schon im ersten Satz beim Schubert die Attacke klar nach vorn gerichtet - mit wuchtigen Hammerschlägen hat das Tetzlaff-Quartett das Thema in die Ohren genagelt: Daaa – da da da dam! - hat es dennoch die elegischen Schleifen des langsamen Satzes mit großem Strich in weiten Flankenbögen vorgetragen, daß es eine Freude war und jetzt im letzten Satz werden noch mal alle Kräfte mobilisiert, das, meine sehr verehrten Damen und Herren, is a Presto was sich sehen lassen kann, ja, da kommt der Franzl Schubert noch mal aus dem Grab gstiegn, weil’s ihm so in die Schuh geht, net wahr, da wird kein Achtel ausgelassen, das Tetzlaff-Quartett is auf der Höhe seiner Leistungsfähigkeit, einmalig, wie sie jetzt die Kurve nehmen, im Tarantella Schritt hauns die Achtel-Triolen unter der ersten Geige weg aber der Primar an der Geige läßt sich nicht aus dem Takt bringen, eisern hält er das Thema im Auge und versammelt seine Teamkollegen hinter sich, nur ein Ziel vor Augen: dieses Quartett rigoros und gnadenlos auf die d-moll-Ziellinie zu bringen, das wird noch ein Finale, was sich g’waschn hat, wie schauts in Düsseldorf aus, Reiner Calmund, bitte melden
 

Reiner Calmund:
 
Hier in der Tonhalle in Düsseldorf geht ein großer Abend in die letzten Minuten, unter der wuchtigen Kuppel dieses wunderbar renovierten Konzechthauses, das leider nicht in Leverkusen steht, erklingt der vierte Satz der Neunten Symphonie von Ludwig van Beethoven, dem großen rheinischen Komponisten, der leider nicht in Leverkusen geboren wurde, von der ersten Sekunde an konsequent von Kurt Màsur oder och Masùr, es ejal, dem großen Dirigenten, auch wenn er nicht aus Leverkusen ist, geleitet, er hat schon vor dem Auftakt mit raumgreifenden Armbewegungen klar gemacht, daß er nicht bereit ist, auch nur die kleinste Regelwidrigkeit zu dulden, hat den zu lauten Einsatz der Geigen in den ersten Takten radikal in ein pianissimo sotto voce zurückgebürstet und sie damit gezwungen, konsequent den Bogen flach zu halten, gegen den Protest der Hörner, die davon nichts wissen wollten und fast mezzo forte weiterhupten bis Kurt Màsur oder och Masùr, es ejal, auch sie in die Schranken gewiesen hat, das war schon ein Auftakt, der das Herz höher springen ließ, ein Auftakt zu einem großen Spiel und bisher hat der Abend dieses Versprechen auch gehalten. Der zweite Satz, das Scherzo, kam mit einer Vehemenz daher, wie man es selten hört, präzise Einsätze im Fugato, die mit federnder Elastizität in gnadenlosem Tempo dahertanzten bis die Obö oder auch Oboe, es ejal, die auch nicht aus Leverkusen ist, mit dem schönen ländlichen Tempo alles überstrahlend brillieren konnte, wunderbar, ein Rausch, der die Zuschauer, die leider auch nicht aus Leverkusen sind, hier in der Tonhalle ergriff, und jetzt der vierte Satz: hat das Orchester in den ersten Takten schon explosiv klar gemacht, wohin die Reise geht, hat das Cello mit einem wunderbar elegischen Rezitativ für den Kontrast gesorgt, hier ist alles: hier ist Kraft, hier ist Phantasie und hier ist Können, wie man es in dieser Tonhalle selten gehört hat, alle Einsätze stimmen, alle Bogenstriche kommen wie aus einer Hand, auch das Spiel ohne Bogen läuft, daß es eine Lust ist zuzuhören und zuzuschauen, die Solisten sind ebenfalls immer wieder zu Sonderleistungen aufgelaufen, das „Oh Freunde, nicht diese Töne“, eingeleitet vom gesamten Orchester und dann in der Spitze begleitet von den Streichern, hat Bryn Terfel, der große walisische Baßbariton, der zwar auch nicht aus Leverkusen ist, der aber weiß, wie man’t schreibt, mit virtuoser Brillanz und routinierter Stimmführung die Neunte eingetütet, was im unglaublichen Einsatz des Chores noch eine Steigerung erfuhr, die niemand dieser Mannschaft noch zugetraut hätte, wir stehen jetzt kurz vor der Coda und ich gebe weiter an Joachim Kaiser, der überhaupt noch nie in Leverkusen war, in die Philharmonie nach Berlin...
 
 
Joachim Kaiser:
 
Ja, Danke Reiner Calmund, nein, ich will auch gar nicht aus Leverkusen sein. Naja, hat der Abend hier in der Philharmonie schon etwas ausgefranst angefangen, so ist noch nicht viel mehr daraus geworden: Leonoren-Ouvertüre von Beethoven ohne wirkliche Höhepunkte, ein französischer Dirigent, der sich ausgerechnet ein deutsches Programm ausgesucht hat und dabei komplett ohne Fortüne geblieben ist, Schumann, die Rheinische Symphonie, vor der Pause, auch da kam keine wirkliche Freude auf, die Geigen liefen auseinander wie der Rhein, wenn er nach Holland kommt, von einer Koordination mit den Bläsern ganz zu schweigen, da fehlen einfach die spielerischen Ideen, das geht alles so nach Schema F dahin, es ist nichts richtig falsch, es ist nichts richtig richtig, es reißt nichts mit, es bleibt Papierform, dann aber in der zweiten Halbzeit das Klavierkonzert Nr 1 von Brahms in d-moll, da zeigte sich am Beginn ein Hoffnungsschimmer, mit Energie ging es aus dem d-moll Akkord in den Triller, ja, da muß der Spielführer in der Garderobe aber ganz deutlich seine Meinung gesagt haben und wie Lars Vogt, der rheinische Pianist, auf dem Steinway da einstieg – brillant, hat aber dann etwas nachgelassen, lag es am Spielführer, lag es an der etwas angestrengten Pedalarbeit in den schnellen Läufen, da war kein Biß, das verlief sich alles ein bisschen in den Weiten der Partitur und des Orchesters, die Fingersätze eher alte Schule, ich meine zwischendurch sogar einen Daumenüberschlag gesehen zu haben, also da sind keine Überraschungen möglich, alles, wie gesagt, ohne wirkliche Fortüne und ich glaube ehrlich gesagt nicht, daß sich da jetzt im letzten Satz noch wesentlich was tut, ich frage mal in Essen nach, Marcel, wie schauts in der Philharmonie aus?
 
 
MRR:
 
Hier im alten Saalbau in Essen, dem man besser diesen Namen gelassen hätte, statt ihn in eine Allerwelts-Philharmonie umzubenennen, Saalbau hat noch den Glanz alter Zeiten: Saalbau! Pfahlbau! Entschuldigung, ich schweife ab, also: hier schaut das Grauen aus allen Notenschlüsseln: eine vollkommen uninspirierte Stabführung durch den italienischen Dirigenten Ornello Muti, der sich auch noch skandinavische Komponisten ausgesucht hat und der sich jetzt – was bisher war, möchte ich einfach übergehen, es war, wie gesagt, grauenhaft – glücklos an Sibelius versucht: Der Schwan von Tuonela, auch das nicht wirklich ein Stück, das einem die Flossen anschnallt, aber immerhin eine schöne, getragene nordische Weise, dieser Schwan gleitet bei glücklicher Regie wundervoll majestätisch über den See, was wir aber hier hören und sehen ist ein Schwan, der offensichtlich in die Ölpest gekommen ist: mit verklebten Federn versucht er sich über den See zu schleppen, verheddert sich aber alle schnabellang im Seetang der Holzbläser und den Algenschlingen der Streicher, hier kann ich nur noch das Handtuch des Schweigens drüberwerfen, dieser Schwan hat den Sex Appeal eines Tretbootes, vielleicht ist er sogar das Tretboot aus Münster, in das sich damals der Münsterländer Schwan verliebt hat, packt die Geigen ein das hier ist eine Zumutung für das Ohr, hat denn keiner eine Schwimmweste hier, daß man sich über diesen Tümpel retten könnte, das ist ja ....


Folgen Sie, verehrte Leserin, geschätzter Leser, am nächsten Sonntag
dem finalen Teil dieser abschließenden Live-Schalte zu Beethovens Leben und Musik.

 © 2020 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker