Weinlied

für Karl-Heinz und Hannes

von Hermann Claudius

Zeichnung: Rudolf Maria Complojer - Foto © Frank Becker

Weinlied
 
Bringt mir zween Gesellen
und einen guten Wein.
Bis an das Tageshellen
wolln wir beisammen sein.
 
Soll kaum ein Wörtlein wandern,
wolln stumm ins Aug´ uns schaun
und einer in dem andern
sein Selber auferbaun.
 
Der Tod sitzt mittendrinnen,
der kalte Knochenmann.
Und unsre Gläser klingen.
Er sieht uns lächelnd an.
 
Und wer ihn  so gesehen,
hei! den durchrinnt es heiß.
Dem ist es erst geschehen,
daß er vom Leben weiß.
 
Der Morgen will sich röten
und kommt am Fenster für.
In unsern schwanken Böten
behutsam landen wir.
 
Der Tod hat rote Wangen.
Sein Mund, der wispert was.
Doch eh wir´s aufgefangen,
zersplittert jäh sein Glas.
 
 
Hermann Claudius