„Davon glaube ich kein Wort!“

Albert Einstein in der Anekdote

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
„Davon glaube ich kein Wort!“
 
Albert Einstein in der Anekdote

 Von Ernst Peter Fischer

 
Der Mann des Jahrhunderts  (7)

Der Mensch Einstein
 
Einsteins Einsichten reichen weit über die Physik hinaus und vielfach in die Philosophie hinein. Sie haben sogar die merkwürdige Fähigkeit, Irrtümer großer Denker aufzudecken, zum Beispiel die berühmten Ideen von Immanuel Kant aus der Kritik der reinen Vernunft, Raum und Zeit seien „Anschauungsformen a priori“, was konkret heißen soll, daß sie durch keine Erfahrung (a posteriori) beeinflusst werden. Genau dafür hat Einstein aber gesorgt. Es war ihm gerade mit Hilfe von Erfahrungen (und geometrischen Gedankenexperimenten) gelungen, zwar uralte, aber trotzdem irrtümliche Anschauungen zu korrigieren. Der Raum besaß nicht die (euklidische) Geometrie, die Kant als a priori gegeben und unverrückbar bestimmt ansah, und die Zeit war ebenfalls nicht die absolute Größe, die der Philosoph in ihr sah, sondern vom Raum und sogar von der Energie abhängig.
      
       Eigentlich ist im Anschluß an die von Einstein bestimmten oder mindestens beeinflussten Entwicklungen der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik eine sehr wichtige Aufgabe entstanden, nämlich das von Kant gestellte Grundproblem der Erkenntnistheorie erneut aufzurollen und noch einmal in aller Schärfe das zu trennen, was von unserer Erkenntnis aus der Erfahrung und was unserem Denkvermögen entspringt. Nach Einstein und den Naturwissenschaften wird der Teil unseres Denkens, der bei Kant „reine Vernunft“ heißt, trotz der philosophischen Festlegung doch durch die täglichen Erfahrungen geformt (und demnach offenbar beschmutzt). Was die Philosophie als a priori einstufte, erwies sich in der Wirklichkeit der Physik als a posteriori, auch wenn man immer noch warten muß, daß die reinen Denker dies akzeptieren. 
      
       Einstein selbst rechnete nicht damit, daß die zeitgenössischen Philosophen sich an diese Aufgabe machten, die eine Kenntnis der Physik voraussetzt. Sie bildeten seiner Ansicht nach eher so etwas wie die selbstzufriedene „Landeskirche der Kantianer“, wie er es nannte, deren Vertreter nicht die alte Höhe der Vernunft erreichten: „Der Kant“, schrieb er einmal, „ist so eine Landstraße mit vielen, vielen Meilensteinen, und dann kommen die kleinen Hunderln, und jeder deponiert das Seinige an den Meilensteinen.“
     
       Das heißt, Gefallen an dem, was Kant geschrieben hat, konnte Einstein schon finden, dem zwar die Texte mancher zeitgenössischer Philosophen vorkamen, als ob sie im trunkenen Zustand verfasst worden seien, der aber Kants Formulierungen schätzte und auf seine Weise übernommen hat. Aus der berühmten Feststellung „Begriffe ohne Anschauung sind leer, Anschauung ohne Begriffe bleibt leer“, zimmerte Einstein seine Überzeugung, „Religion ohne Wissenschaft ist leer, Wissenschaft ohne Religion ist lahm.“ 
 
 
© Ernst Peter Fischer