Bei dem Bürgermeister in der Traumstadt...

...traf ich neulich eine junge Römerin.

von Peter Paul Althaus

Foto © Frank Becker

Bei dem Bürgermeister in der Traumstadt traf ich neulich
eine junge Römerin. Sie wurde vorgestellt
als Saline Sulza. (Ich muß sagen: als Erscheinung höchst erfreulich;
eine Dame, eine Frau der großen Welt.)

„Eine Nichte", flüsterte der Bürgermeister leise,
„Kaiser Neros, der vom Jahre 54 bis zum Jahre - - na, egal-
jedenfalls die Dame ist hier auf der Durch- beziehungsweise Weiterreise,
morgen fährt sie wieder ab, ins Ilmetal.”

Ich verlebte wundervolle Stunden
mit des Kaisers Nero wundervollen Nichte;
und ich glaub', sie hat es auch gefunden,
denn - - doch irgendetwas stimmte nicht an der Geschichte.

Und so suchte ich im Brockhaus in der Morgenfrühe
unter ,Nero' nach ,Saline Sulza' (auf den Lippen noch den Abschiedskuß),
fand sie aber nicht; nur unter ,Sulza' hieß es: „Siehe
Salzwerk Sulza, Sulza Stadt am Ilmefluß.“

Traurig bin ich in den Tag gegangen,
wanderte zum Bahnhof, suchte Sulza auf dem Fahrplan, stand an Zügen,
und erzählte teilnahmslosen Telegrafenstangen,
wie die Frauen in der Traumstadt lügen.


Peter Paul Althaus