„Davon glaube ich kein Wort!“

Albert Einstein in der Anekdote

von Ernst Peter Fischer

Ernst Peter Fischer
„Davon glaube ich kein Wort!“
 
Albert Einstein in der Anekdote

 Von Ernst Peter Fischer

 
Der Mann des Jahrhunderts  (8)

In der Schule
 
Einstein äußerte oft drastische Ansichten, so zum Beispiel in der Weihnachtnummer, die im Dezember 1917 h als Morgenausgabe des Berliner Tagblatt erschienen ist. Hier konnte man einen kleinen Beitrag von Einstein mit dem Titel „Der Angsttraum“ lesen. Er endet mit der Forderung, die Reifeprüfung abzuschaffen, die Einstein für unnütz und schädlich zugleich hält. Es heißt wörtlich:
„Für unnütz halte ich [die Reifeprüfung], weil die Lehrerschaft einer Schule die Reise eines jungen Mannes, der die Schule mehrere Jahre besucht hat, ohne Zweifel wird beurteilen können. Und „für schädlich halte ich [sie] aus zwei Gründen.“ Da sind zum einen die „Examensangst“ und „die große Menge des gedächtnismäßig zu assimilierenden Stoffes“, die beide Schaden für die Gesundheit vieler junger Menschen mit sich bringen. Und da ist zum zweiten der Tatbestand, daß die bevorstehende Reifeprüfung „das Niveau des Unterrichts in den letzten Schuljahren herabsetzt.“ Statt sich mit der Sache zu beschäftigen, konzentrierten sich die Lehrer auf die „äußerliche Abrichtung“ der Schüler. Statt sich um eine Vertiefung des Stoffs zu bemühen, kümmerte man sich um den „äußerlichen Drill, der der Klasse vor den Examinatoren einen gewissen Glanz verleihen soll. Darum fort mit der Reifeprüfung.“  So Einstein 1917 in Berlin.
       Apropos Schule: Es gehört zu den nicht aus der Welt zu schaffenden Gerüchten, daß Einstein ein schlechter Schüler war. Natürlich war er kein ehrgeiziger büffelnder Knabe, und wie alle Teenager haßte er das sinnlose Pauken und den stupiden Drill der Prüfungen. Aber seine Noten waren trotzdem gut. Im Lateinischen hatte er mindestens eine 2, im Griechischen zeigen seine Zeugnisse stets eine 2, in der Mathematik schwankten die Bewertungen anfangs zwischen 1 und 2, um schließlich bei der 1 anzukommen. Auch beim Studium zeigte er sich auf der Höhe der Anforderungen, und seine Lehrer bemängelten etwas anderes: „Sie sind ein gescheiter Junge“, wird einer seiner Dozenten in Zürich zitiert, „aber Sie haben einen großen Fehler. Sie lassen sich nichts sagen.“
       Im heutigen Sprachgebrauch würde man Einstein als antiautoritär bezeichnen. Er fand alle, die sich als Autorität aufspielten, eher zum Lachen, was sein Leben als Schüler im Kaiserreich nicht leichter machte. (Einstein hat es übrigens als Strafe des Herrn empfunden, ihn selbst später eine Autorität werden zu lassen.)
Die Frage, wie jemals das Gerücht des schlechten Schülers Einstein in die Welt kommen konnte, läßt sich leicht beantworten. Einstein ist eine Zeit lang in der Schweiz zur Schule gegangen, und hier werden Noten als Punkte gegeben. Einser in Deutschland geben Sechser in der Schweiz, und genau die stehen in seinem Zeugnis. Leider hat sein erster Biograph dies nicht gewußt. So lasen die Menschen vom schlechten Schüler Einstein, und diese Vorstellung gefiel allen, die selbst ohne glänzende Zeugnisse dastanden. Ihre schlechten Noten ließen ihnen wenigstens die Hoffnung, noch ein  Einstein werden zu können. Da die Hoffnung zuletzt stirbt, wird auch das Gerücht bleiben, bis wir nichts mehr zu lesen haben.
 
© Ernst Peter Fischer